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Marode Banken: Warum Spanien Finanzhilfe braucht

Spaniens marode Banken sollen bis zu 100 Milliarden Euro erhalten. Doch ganz selbstlos sind die Europäer nicht, wenn sie die Hilfen bewilligen - wankt das spanische Finanzsystem, wankt das europäische mit. Wieder einmal.

Hybridkapital, risikogewichtete Aktiva, horizontale Konditionalität – der Stoff für die Sondersitzung des Bundestages am Donnerstag könnte kaum unübersichtlicher sein. 139 Seiten an Memos, Vertragsentwürfen, Ablaufplänen und sogar Vergütungsvorschriften nebst deren deutscher Übersetzung umfasst der Antrag, den das Bundesfinanzministerium den Abgeordneten unter dem Rubrum „Finanzhilfen für Spanien“ am Montag zustellen ließ.

Doch bei all dem geht es im Kern nur um eine simple Frage – nämlich um die, wer die Kredite bezahlen soll, die Spaniens Banken und ihre Geldgeber aus aller Welt für den Bau hunderttausender Immobilien aller Art vergeben haben - obwohl diese gar nicht gebraucht wurden und darum heute kaum noch Wert haben.

Wer muss dafür aufkommen?

Ginge es nach den Regeln der Marktwirtschaft, wäre die Antwort einfach. Die überschuldeten Banken müssten genauso Insolvenz anmelden wie ihre zahlungsunfähigen Kreditnehmer. Die Gläubiger der Banken wiederum müssten sich dann damit begnügen, was an werthaltigen Anlagen oder Krediten übrig ist, und den Rest als Verlust abschreiben.

Aber eben das mag keine Regierung riskieren. Vom Kleinsparer bis zum Großinvestor könnten Bankkunden das Vertrauen verlieren, aus allen Banken ihr Geld abziehen und so das Zahlungssystem zum Einsturz und die Wirtschaft zum Stillstand bringen.

Als der Immobilienboom ab 2009 zusammenbrach, setzte darum auch Spanien – so wie zuvor Deutschland und alle anderen Krisenländer – auf den Freikauf der Banken und ihrer Gläubiger mit dem Geld der Steuerzahler. Rund 100 Milliarden Euro, knapp neun Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes, haben Spaniens Regierende darum bereits eingesetzt, um drohende Pleiten von Banken und Sparkassen mittels Verstaatlichung und Kapitalzuschüssen abzuwenden.

Doch das hat nicht gereicht. Noch einmal bis zu 61 Milliarden Euro fehlen Spaniens Geldhäusern, um die Verluste auszugleichen, ergab eine Untersuchung der Beratungsfirmen Oliver Wyman und Roland Berger. Und selbst diese Zahl ist ungewiss, weil niemand weiß, wie viele Immobilienkredite am Ende tatsächlich ausfallen.

Warum kann das Spanien nicht schultern?

Wegen des wirtschaftlichen Einbruchs sind Spaniens Steuereinnahmen unsicher, und neue Kredite auf dem internationalen Kapitalmarkt bekommt die Regierung nur noch zum teuren Zins von um die sieben Prozent im Jahr. Darum beantragte die Regierung von Ministerpräsident Rajoy nun einen – weit billigeren – 100-Milliarden-Kredit beim Euro-Rettungsfonds EFSF, der ausschließlich zur Bankensanierung verwendet werden soll.

Der Rat der Euro-Finanzminister hat dem Antrag im Grundsatz bereits stattgegeben. Weil damit aber auch der deutsche Fiskus entsprechend seinem Anteil am EFSF mit weiteren 29 Milliarden Euro ins Risiko geht, musste die Bundesregierung die Abgeordneten aus den Ferien nach Berlin einbestellen, um deren Zustimmung einzuholen.

Worüber stimmen die Abgeordneten ab?

Wenn die Abgeordneten, wie von allen Fraktionen außer der Linken angekündigt, in großer Mehrheit zustimmen, erteilen sie damit „eine Generalvollmacht für ein Vorhaben, dessen Ausgestaltung und Risiken wir nicht wirklich kennen“, kritisiert der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick.

Zwar verspricht Finanzminister Schäuble in seinem Antrag, die „Nothilfe“ werde „unter strengen Auflagen erteilt“. Und tatsächlich wird die spanische Regierung die Aufsicht und Entscheidungsgewalt über die 14 bedrohten Bankkonzerne des Landes weitgehend an die Fachbeamten der EU-Kommission und deren Berater aus der Europäischen Zentralbank (EZB) abtreten müssen.

Aber dabei sind zentrale Fragen nicht geklärt. Völlig offen ist etwa, nach welchen Kriterien entschieden wird, welche Bank oder Sparkasse als „überlebensfähig“ deklariert und welche abgewickelt werden sollen. Dies gilt vor allem für die Großsparkassen Bankia, CatalunyaCaixa, NovaCaixaGalicia und Banco de Valencia SA, die bereits an den staatlichen Rettungsfonds FROB übertragen wurden.

Wohl gelten dabei, wie ein Sprecher des Finanzministeriums versichert, die EU-Regeln für staatliche Unternehmensbeihilfen. Aber wie diese ausgelegt werden, ist Verhandlungssache. Im Zweifel werden spanische Politiker genauso wie ihre deutschen Kollegen im Fall der Landesbanken verbissen für den Erhalt auch solcher Geldhäuser kämpfen, die eigentlich kein funktionierendes Geschäftsmodell haben.

Müssen auch die Gläubiger zahlen?
Ob und in welchem Umfang auch die Gläubiger der maroden Banken für die Kosten der Sanierung herangezogen werden, ist ungeklärt. In allen bisherigen Fällen wurden die Inhaber der Anleihen der Pleitebanken immer von möglichen Verlusten freigestellt, obwohl sie eigentlich falsch investiert hatten.

Allerdings sind die Inhaber solcher Papiere in der Regel Banken und die Fonds von Großanlegern in anderen Ländern, deren Interessen die Regierungen zumeist schützen. Darum setzten die EZB und die anderen Euro-Staaten in Irland mit eiserner Hand durch, dass das kleine Land schon mehr als 100 Milliarden Euro, rund die Hälfte der Wirtschaftsleistung eines ganzen Jahres, an die überwiegend ausländischen Anleihegläubiger seiner bankrotten Banken auszahlen musste, obwohl doch auch diese Anleger hätten wissen können, dass Irlands Immobilienmarkt maßlos aufgebläht war.

Ganz ähnlich ist die Lage nun in Spanien. Allein ausländische Banken haben Forderungen an Spaniens Finanzinstitute in Höhe von 122 Milliarden Euro. 41 Milliarden davon liegen bei deutschen Banken. In der gleichen Größenordnung haben vermutlich auch Versicherungen und private Fonds in spanische Bankenpapiere investiert.

Insofern dient die „Nothilfe“ für Spanien keineswegs nur dem Land selbst, sondern rettet auch Banken und Vermögende in ganz Europa vor möglichen Verlusten. Vor diesem Hintergrund kam es beim jüngsten Treffen der Euro-Finanzminister am 9. Juli zum offenen Streit über die Mithaftung der Gläubiger. Anders als bisher, so berichteten Teilnehmer dem „Wall Street Journal“, soll sich dabei auch EZB-Präsident Draghi erstmals für die Verlustbeteiligung der Inhaber von Bankanleihen ausgesprochen haben.

In die ausgehandelte Vereinbarung mit der spanischen Regierung („Memorandum of Understanding“, MoU) fand Draghis Forderung allerdings keinen Eingang. Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte anschließend sogar, es sei „klar, dass die Besitzer von erstrangigen Anleihen nicht in die Lastenteilung einbezogen werden“.

Dem widersprach ein Sprecher von Minister Schäuble. Dies sei keineswegs beschlossen, sondern sei auf „deutsche Intervention“ hin offengelassen worden. Bluten sollen dagegen, so sieht es das MoU vor, all jene Anleger, die bei Spaniens Großsparkassen sogenanntes Hybridkapital, also Vorzugsaktien und nachrangige Anleihen, gezeichnet haben.

Solche Papiere werden in der Regel höher verzinst, aber dafür im Pleitefall auch zuerst zur Haftung herangezogen. Auf diesem Wege, so hoffen die Bankexperten der Kommission, sollen Kosten von bis zu 60 Milliarden Euro auf die Anleger abgewälzt werden. Doch den überwiegenden Teil dieser Papiere haben Spaniens Banker unter falschen Angaben zum Risiko an Kleinsparer im Land verkauft.

Schon haben mehrere Gerichte diese Verkäufe für illegal erklärt und Klagen auf Rückzahlung der Anlagen stattgegeben. Darum erwarten Fachleute, dass mit dem Rückgriff aufs Hybridkapital wenig zu holen sein wird. Das Versprechen der Minister, „die Kosten für die Steuerzahler zu minimieren“, wie sie in ihr Memorandum schrieben, wird wohl Illusion bleiben.

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