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Politik: Marsch des Oranier-Ordens: Anschlag vor alljährlicher Parade in Portadown

Nach einer Woche gewaltsamer Proteste in ganz Nordirland sowie zahlreichen gescheiterten Vermittlungsversuchen führten die Mitglieder des protestantischen Oranier-Ordens am Sonntag ihre alljährliche Parade in Portadown durch. Offiziell gedachten sie dabei der Gefallenen des Ersten Weltkrieges.

Nach einer Woche gewaltsamer Proteste in ganz Nordirland sowie zahlreichen gescheiterten Vermittlungsversuchen führten die Mitglieder des protestantischen Oranier-Ordens am Sonntag ihre alljährliche Parade in Portadown durch. Offiziell gedachten sie dabei der Gefallenen des Ersten Weltkrieges. Zum dritten Mal hintereinander wurde der Zug an der riesigen Stahlbarriere der britischen Armee gestoppt, um den Durchmarsch durch das katholische Wohnviertel der Stadt zu verhindern. Die Barriere selbst hat inzwischen seitliche Schrankenn erhalten, um die Sicherheitskräfte dahinter gegen Wurfgeschosse zu schützen. Stacheldrahtgirlanden säumten die Ränder des katholischen Wohnviertels entlang der Paradenroute, dahinter hatte sich eine Gruppe von Anwohnern versammelt, um das Wohlverhalten der Oranier zu bezeugen. Vertreter protestantischer Untergrundkommandos entfalteten kurz eine ihrer Fahnen vor der katholischen Kirche, doch die Polizei griff nicht ein.

Am frühen Sonntagmorgen war eine Autobombe im kleinen Städtchen Stewartstown in der nordirischen Grafschaft Tyrone explodiert. Polizeichef Sir Ronnie Flanagan beschuldigte Splittergruppen der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), die sich als "Real IRA" bezeichnen, des Anschlags. Der Sprengsatz war vor der lokalen Polizeistation gezündet worden, doch der Sachschaden konzentrierte sich auf umliegende Privathäuser. Es gab keine ernsthaften Verletzungen, obwohl die Polizei aufgrund einer Warnung erst in dem Moment Massnahmen zum Bevölkerungsschutz einleiten konnte, als die Bombe hochging. Es handelte sich offensichtlich um einen Versuch, die Spannungen im Umfeld der Portadown-Parade noch zu schüren, hieß es.

Unter pechschwarzen Regenwolken hielt Harold Gracey, der alternde Distriktmeister des Oranier-Ordens von Portadown, eine Rede an der Armee-Schranke: Er forderte die Protestanten Nordirlands zu weiteren Protesten auf, und weigerte sich wiederholt, die Straßengewalt der letzten Woche zu verurteilen. Er verdammte ökumenisch gesinnte Geistliche und die Gründer der Bürgerrechtsbewegung vor 30 Jahren, die er gleich in denselben Topf warf wie die Bombenleger der vergangenen Nacht. Die Oranier von Portadown haben für Montag zu einem vierstündigen Protest in ganz Nordirland aufgerufen und jene Politiker, die Mitglieder des Ordens sind, dazu aufgefordert, die Parlamente in London und Belfast zu sabotieren.

Die verhärtete Sprache folgt auf den gänzlichen Zusammenbruch aller Vermittlungsbemühungen. Die unabhängige Paradenkommission hatte den Oraniern von Portadown einen Ausweg angeboten: Sie sollten zuerst ihre Proteste abbrechen und indirekte Gespräche mit dem katholischen Quartierverein aufnehmen, dann könne eine Parade stattfinden. Die lokale Oranierloge drehte die Abfolge um und verlangte zuerst eine Parade, dann versprach sie Wohlverhalten und Gespräche. Das führte erwartungsgemäss ins Leere.

Nach Graceys Rede begann der Regen und die Oranier zogen sich auf die umliegenden Wiesen zurück, wo sie ihre Belagerung fortsetzen wollen. Gracey hatte immerhin dazu aufgerufen, den heiligen Sonntag nicht durch Gewaltakte zu entweihen. Aber die unterschwellige Billigung der weitverbreiteten Gewalt war nicht zu überhören.

Am Mittwoch kommt wird der offizielle Höhepunkt der diesjährigen Paradensaison erwartet, wenn Oranier überall an den Schlachtensieg Wilhelms von Oranien über den abgesetzten katholischen König Jakob II. anno 1690 am Fluss Boyne gedenken. Die größte Parade wird in Belfast stattfinden, wo die Paradenkommission einmal mehr den Durchmarsch durch die untere Ormeau Road verboten hat. Weitere nächtliche Ausschreitungen werden mit Bange erwartet.

Martin Alioth

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