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Politik: Marsch in den Konsens

In der Außen- und Verteidigungspolitik sind Regierung und Opposition nahe beieinander. Der aktuelle Streit um einen Militärschlag gegen den Irak verdeckt das nur

Was wollen die Parteien – der Tagesspiegel stellt in einer Serie die Positionen von Regierung und Opposition vor. Nach einem Überblick über die Wirtschafts- und Sozialpolitik im Wirtschaftsteil folgt heute die Außen- und Verteidigungspolitik.

Von Robert Birnbaum

Von der Kontinuität zum Krieg ist ein langer Weg – oder auch ein sehr, sehr kurzer. Die Außen- und Sicherheitspolitik der rot-grünen Koalition hat buchstäblich vom ersten Tag an im Zeichen des militärischen Ernstfalls gestanden. Die Regierung war noch gar nicht gebildet, da mussten der künftige Kanzler Schröder und sein Außenminister Fischer schon über die Beteiligung Deutschlands am Kosovo-Krieg entscheiden. Der Realitätsschock trug dazu bei, dass die Regierung einen Kurs verfolgte, den ihre Protagonisten noch kurz vorher als Militarisierung der Außenpolitik gegeißelt hätten. Vor allem dem grünen Außenminister Fischer gelang es aber, in den eigenen Reihen wie in der Bevölkerung Einsicht in die Notwendigkeiten einer neuen Sicherheitspolitik zu wecken. So wurde auch der Umbau der Bundeswehr von der Heimatschutztruppe zur Einsatzarmee akzeptiert – Kritik gab es nur an mangelnder Konsequenz und Finanzierung .

Den Anti-Terror-Einsatz in Afghanistan musste Schröder allerdings mit der Vertrauensfrage gegen die kleine Gruppe grüner Pazifisten durchsetzen. Dass die rot-grüne Außen- und Sicherheitspolitik trotzdem kein voller Erfolg wurde, lag mit an Verteidigungsminister Scharping. Er musste schließlich gehen, weil er sich als Person unmöglich gemacht hatte und weil seine Reform an Fehlfinanzierung litt. Im Streit über das amerikanische Vorgehen gegen Irak hat Schröder eine kompromisslose Ohne-uns-Position bezogen, die selbst SPD-Experten als Wahltaktik einstufen. Fischer stützt Schröders Bedenken, redet aber sehr viel vorsichtiger.

Union will an Kohl anknüpfen

Vom donnernden Nein zum Krieg gegen Saddam Hussein zur alten Kontinuität kann der Weg kurz sein – ganz besonders dann, wenn die Union in der nächsten Regierung den Kanzler stellt oder in einer Großen Koalition mitbestimmt. Kanzlerkandidat Stoiber will einen Militärschlag gegen Irak nicht kategorisch ausschließen, weil er die Möglichkeit zu ultimativem Druck auf Diktator Saddam nicht verbauen will. Der aktuelle Streit verdeckt, dass die Opposition – mit Ausnahme der sich radikal pazifistisch ausrichtenden PDS – den außen- und sicherheitspolitischen Kurs der Regierung mitgetragen hat, weil er ihren eigenen Vorstellungen entsprach. Diese Einigkeit wiederum verdeckt, dass Union wie FDP den gleichen Gedankensprung vollzogen haben wie SPD und Grüne.

So bleiben zwei Differenzen. Die Union will die Bundeswehr mit deutlich mehr Geld ausstatten. Ob dem prinzipiellen Willen ein Weg gebahnt wird, dürfte aber stark von der Kassenlage abhängen. Die zweite, etwas grundsätzlichere Differenz betrifft die Europapolitik. Die Union will die deutsch-französische Kernrolle für die Entwicklung der EU wiederbeleben und hier deutlich an das Erbe des Europa-Politikers Kohl anknüpfen. Auch die FDP, die als Koalitionspartner beider Großen in Frage kommt, sieht ihre Außenpolitik in der Tradition und Kontinuität Kohls und Genschers. Einen Konfliktpunkt könnte die Zukunft der Bundeswehr darstellen. In der FDP gibt es eine starke Strömung, die eine Umwandlung von der Wehrpflicht- zur Freiwilligen- und Berufsarmee fordert.

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