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Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) besichtigt Sanierungsarbeiten in der Ruppin-Grundschule.

© Mike Wolff

Martenstein über Bildung - und das Geschäft der SPD: Schwänzer der Welt, schaut auf diese Stadt!

Wenn die SPD sich nicht um Bildung, Basisbedürfnisse und Daseinsvorsorge kümmert, dann machen andere ihren Job. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Martenstein

Ihr Schwänzer der Welt, schaut auf diese Stadt! Berlin ist die Metropole der Schulschwänzer. Etwa 20 Prozent der Schüler fehlen häufig unentschuldigt. Etwa fünf Prozent lassen sich so selten blicken, dass von „Schulbesuch“ im engeren Sinn des Wortes nicht mehr gesprochen werden kann. Das heißt, wir reden hier über Tausende von Kindern und Jugendlichen, die ohne Chance auf eine berufliche Laufbahn ins Leben entlassen werden. Das ist, von den zerstörten Leben der Kinder einmal abgesehen, auch eine Art staatliches Kriminalitätsförderungsprogramm. Man fragt sich: Wie kann das sein? Es gibt doch die Schulpflicht. Schule, eine der wichtigsten staatlichen Aufgaben.

Eine Lehrerin hat mir erzählt, wie das bei ihr abläuft. Sie arbeitet in einer Oberschule mit eher bürgerlicher Klientel, nicht in einem sozialen Katastrophengebiet. Ein Mädchen aus der Klasse kam einfach nicht mehr. Die Lehrerin wollte nicht gleich repressive Maßnahmen ergreifen, sie glaubt an die Macht des Wortes. Als das Mädchen sich doch einmal blicken ließ, redete die Lehrerin eindringlich mit ihr. Das nützte nichts.

Zweiter Schritt: ein Gespräch mit den Eltern. Auch dies nützte nichts. Nun schrieb sie den Eltern einen Brief. Als auch das nichts bewirkte, griff sie zur härtesten Waffe, einer Schulversäumnisanzeige bei der Schulaufsichtsbehörde. So etwas kann zu einem Bußgeld führen. Eine Woche verging, wieder eine, und wieder eine. Das Mädchen schwänzte weiter. Nun rief die Lehrerin bei der Aufsichtsbehörde an, besser gesagt, sie wollte anrufen. Niemand ging ans Telefon, unter keiner Nummer. Den Versuch wiederholte sie mehrere Male. Die Behörde schien de facto überhaupt nicht zu existieren.

„Ich habe resigniert“, sagt die Lehrerin. Natürlich könnte man noch weitere Versuche starten, sie könnte weitere Briefe schreiben oder zum Beispiel morgens bei den Eltern klingeln und das Kind persönlich zur Schule abholen. Das ist unrealistisch, in Anbetracht der 150 anderen Schüler, um die sie sich zu kümmern hat.

Die SPD regiert in Berlin. Die SPD ist im Bund wieder auf die Wahlergebnisse von 1890 geschrumpft. Es gäbe kein besseres Werbeargument für diese Partei, als wenn unter ihrer Ägide die Basisbedürfnisse der Menschen zuverlässig erfüllt würden – Schule, Nahverkehr, Sicherheit, Arbeitsplätze, Wohnungsbau, Digitalisierung.

Statt den Kapitalismus anzuprangern und neue Sozialleistungen zu erfinden, was 1890 eine gute Idee war, statt Ideologie und Bürokratie sollte die SPD sich wieder den realen Problemen der Leute widmen. Zum Beispiel den Kindermassen, die um ihr Leben betrogen werden, weil Schulen nicht mehr funktionieren. Wenn die SPD das nicht schafft, wird sie verschwinden, und andere machen den Job.

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