zum Hauptinhalt
Müllberge überall: Es stinkt in Beirut

© Joseph Eid/afp

Massenproteste in Beirut: Den Libanesen stinkt's

Immer mehr Libanesen demonstrieren gegen den Müllnotstand im Land. Sie werfen der Regierung Untätigkeit und Korruption vor. Jetzt gibt es ein Ultimatum.

Seit Tagen das gleiche Bild in Beiruts Straßen: Menschen, die gegen sich immer höher auftürmende Müllberge demonstrieren. Am Wochenende versammelten sich etwa 50.000 Frauen und Männer, junge wie alte, auf dem zentralen Märtyrerplatz. Und sie kamen aus dem ganzen Land. Denn den Libanesen stinkt’s schon lange. Es ist nicht nur der Abfall, der die Leute auf die Straße treibt. Inzwischen gilt der Protest auch der politischen Kaste, die den Zedernstaat beherrscht.

Die Müllberge sind der sichtbarste Ausdruck dafür, dass im Libanon vieles im Argen liegt. In den Bergen, am Straßenrand oder am Strand – das Land erstickt im Unrat. Die Gesetze sind unzureichend, und jene, die es gibt, werden nicht eingehalten. Dennoch wird niemand zur Rechenschaft gezogen.

Bergeweise Abfall

Mit Müll lässt sich im Libanon viel Geld machen. Sukleen, die Entsorgungsfirma, deren Vertrag von den Behörden seit 1997 immer wieder verlängert wurde, wird von Maysarah Sukkar geleitet, einem Freund der einflussreichen Familie des ermordeten Premierministers Rafiq Hariri. Der Preis, den Sukleen pro Tonne kassierte, lag um ein Vielfaches über dem anderer Länder in der Region.

Aufgestauter Frust: Beiruts Jugend protestiert gegen die Regierung
Aufgestauter Frust: Beiruts Jugend protestiert gegen die Regierung

© Oliver Weiken/dpa

Mitte Juli lief der Vertrag der Stadt Beirut mit Sukleen aus – obwohl klar war, dass die Deponie in Naameh südlich von Beirut längst hoffnungslos überfüllt war. Statt zwei Millionen Tonnen lagern dort inzwischen 15 Millionen Tonnen. Nun türmt sich der Unrat in den Straßen und auf den Plätzen der Hauptstadt.

Überhaupt gibt es im ganzen Land mit seinen 4,4 Millionen Einwohnern und 1,5 Millionen syrischen Flüchtlingen kein funktionierendes System zur Müllentsorgung. Vielfach wird der Abfall deshalb nachts in illegalen Deponien verbrannt. Untersuchungen über das Auftreten von Lungenkrankheiten im unmittelbaren Umkreis oder Analysen der Grundwasserqualität gibt es nicht.

Demonstranten fordern Neuwahlen

Dementsprechend groß ist mittlerweile der Unmut der Bürger. Und die Wut der Menschen richtet sich nun auch gegen die Politik. Man spricht offen über die als unhaltbar empfundenen Zustände. Groß ist zum Beispiel der Ärger über das Parlament, in dem sich die Parteien gegenseitig blockieren und seit Jahrzehnten die gleichen Kriegsherren sitzen. Und die sich vor allem um ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen kümmern, nicht um die der Wähler.

Immer wieder wird der Unrat illegal entsorgt.
Immer wieder wird der Unrat illegal entsorgt.

© Joseph Eid/AFP

Am heutigen Dienstag läuft ein Ultimatum der Demonstranten aus. Sie fordern nicht nur eine transparente wie nachhaltige Umweltpolitik, sondern auch den Rücktritt des zuständigen Ministers und eine Neuausschreibung für die Vergabe des Müllentsorgung. Doch viele Menschen gehen einen Schritt weiter: Sie verlangen, dass das Parlament neu gewählt wird – und ein Ende des maroden politischen Systems.

Nathalie Rosa Bucher

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false