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Politik: Massenwanderung als Jahrhundertproblem

Expertentagung zu Sicherheit und Migration

Von Michael Schmidt

Berlin - Sinkende Geburtenzahlen, steigende Lebenserwartung: Beim Thema demografischer Wandel denkt man zuallererst an die Folgen für das Renten-, Gesundheits- und Sozialsystem, an schrumpfende Städte und die Abwanderung junger Frauen aus dem Osten. Mittelfristig aber, und mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklungen weltweit, drängen sich ganz andere, nämlich sicherheitspolitische Fragen in den Vordergrund. Diese „neue Dimension“ des demografischen Wandels in den Blick zu nehmen heiße, sich bewusst machen, dass er „das zukünftige nationale und internationale Sicherheitsumfeld westlicher Gesellschaften massiv beeinflussen“ werde, sagte Rudolf Adam, Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Baks) am Mittwoch zum Auftakt einer Konferenz über Demografie und Sicherheit in Berlin.

James Vaupel, Direktor des Max- Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock, skizzierte die Umrisse einer Welt, die zweigeteilt sei: in die schrumpfenden, alternden, strukturell eher behäbigen, das Risiko scheuenden Gesellschaften des industrialisierten Nordens einerseits, und die wachsenden, jungen, aktiven und zuweilen auch aggressiveren Gesellschaften des Südens, die oft kein funktionierendes Sozialsystem und zudem häufig ein geringeres Wirtschaftswachstum hätten. Vor diesem Hintergrund sei der demografische Wandel „wie der Klimawandel eine der größten Herausforderungen des noch jungen 21. Jahrhunderts“, sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in seiner Eröffnungsrede. Angesichts der Migrationsströme in Folge von Bevölkerungswachstum, Ressourcenknappheit und Perspektivlosigkeit warnte er vor „Alarmismus“. Schäuble machte sich aber für eine „verantwortungsvolle Migrationspolitik“ stark, die die Folgen der Abwanderung für Wirtschaft und Gesellschaft der Herkunftsländer ebenso im Auge behalte wie die Integrationsschwierigkeiten und die Frage des inneren Zusammenhalts der Aufnahmeländer.

Welche sicherheitspolitisch relevanten Konsequenzen die demografische Entwicklung in Deutschland haben könnte, zeigte Vaupel auf: Eine alternde Gesellschaft stehe nicht nur vor dem Problem, dass ihr langfristig der Nachwuchs für Polizei und Bundeswehr ausgehe und deren Einsatzfähigkeit in Frage stelle, sagte er. Sie laufe zudem Gefahr, sich angesichts knapper Ressourcen in einem „Zielkonflikt“ entscheiden zu müssen zwischen Sozialausgaben und Aufwendungen für die öffentliche Sicherheit und nationale Verteidigung. Wenn es bei der bisherigen Politik bleibe, warnte Adam, „wird Deutschland seine Rolle als Exportweltmeister und aktiver Part im Rahmen einer Weltordnungspolitik innerhalb einer Generation schon nicht mehr spielen können.“

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