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Der Anfang scheint noch einfach. Spätestens, wenns um Unternehmensimages geht, wirds mit der Sprache kompliziert.

© Bernd Wüstneck/dpa

Matthies meint: We are, we are, we are Gesundgenieure!

Sprache gilt als Schlüssel zur Integration, die Frage danach aber als diskriminierend - kompliziert, meint Bernd Matthies. Noch schlimmer: gezieltes Gemurkse an der Sprache.

Seit einer Woche grüble ich über den Bericht einer Leserin, die Seltsames erlebt hat. Sie telefonierte mit einem Unternehmen, das sogenannte haushaltsnahe Dienstleistungen vermittelt, und bat – da vorher durchweg Afrikaner gekommen waren, mit denen sachbezogene Verständigung kaum möglich war – um einen Helfer, der einigermaßen Deutsch spricht. Geht nicht, erfuhr sie, denn dieses Merkmal werde jetzt nicht mehr erfasst, da es als diskriminierend angesehen werde.

Es ist also offenbar so, dass die Sache mit der Dienstleistungsgesellschaft ihre Grenzen hat, und zwar dort, wo höhere Ziele tangiert sind, nämlich jene der Antidiskriminierungsgesellschaft. Für dieses schöne neue Projekt ist Integration zwar irgendwie erstrebenswert, doch die Frage nach einem der wesentlichen Integrationsmerkmale, nämlich der Sprache, wird als diskriminierend verboten. Das finde ich recht seltsam.

Auch Siemens radebrecht - aus Menschennähe

Aber schauen wir mal, was Siemens uns in Sachen Sprache bieten kann. Die Medizinsparte des großen deutschen Unternehmens hat einen ganz neuen Namen: „Healthineers“. Hä? sagt der Deutsche, hä? sagt der Angelsachse, was soll das denn sein? Ein Vergleich mag helfen: Das ist so, als würde ein englisches Großunternehmen seine Medizintechnik „Gesundgenieure“ nennen. Völlig abwegiger Unfug – aber es kommt noch irrer.

Denn eines der gegenwärtig meistgeklickten Videos im Netz zeigt ein Stück der Veranstaltung, mit der das neue Wort in Erlangen eingeführt wurde. Da hopsen auf einer riesigen Bühne Tänzer in roten und blauen Ganzkörperkondomen herum, und dazu dröhnt der eigens zu diesem Zweck komponierte Song „We are, we are, we are Healthineers“.

Kaum fassbar, dass die Zuschauer diese monumentale Doofheit aushalten, ohne vor Scham im Boden zu versinken. Vorstandschef Joe Cheeser („Ingenuity for life“) sagt dazu nichts, aber der Chief Executive Healthineer Bernd Montag erklärt, diese neue Marke drücke „unser Selbstverständnis als menschennahes Unternehmen aus“.

Schon klar. Nah am Menschen, jedenfalls an jenen, die beim Hören solcher Gaga-Worte nicht gleich tot umfallen. Hat das was mit dem eingangs geschilderten Phänomen zu tun? Nicht direkt. Aber ich frage mich doch bei solchen Gelegenheiten immer wieder, was unsere Eliten eigentlich dazu bringt, ständig von allen Seiten auf die arme deutsche Sprache loszugehen. Sie verändert sich, das ist okay. Aber muss denn nun jeder an ihr herummurksen?

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