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Das Mädchen sieht rosa, der Junge sieht blau.

© Kitty Kleist-Heinrich

Matthies meint: Wo sich Kens und Barbies Wege trennen

Der erste Strampelanzug ist bei Jungen blau, bei Mädchen rosa. Das sieht unser Kolumnist als entscheidende Weichenstellung in Richtung Barbie und Ken. Eine Glosse.

Manche Dinge ändern sich einfach nicht, obwohl wir doch seit Jahrzehnten sicher sind, dass sie sich dringend ändern müssten. Zum Beispiel, dass der erste Strampelanzug bei Jungen blau und bei Mädchen rosa ist – das gilt, soweit ich sehe, als entscheidende Weichenstellung in Richtung Barbie und Ken. Das Mädchen sieht rosa und denkt sofort, aha, ich mach mir mein Leben nett, kriege zwei Kinder und arbeite halbtags; der Junge sieht blau und ahnt dunkel, dass er für den Lebenskampf mit Kettensäge und Notebook bestimmt ist und nur ab und zu bei Junggesellenabschieden Dampf ablassen darf.

Ich komme drauf, weil die „Neue Osnabrücker Zeitung“ eben eine verdienstvolle Untersuchung in Online-Shops veröffentlicht hat, die praktisch aus dem Kreißsaal bis in die Pubertät reicht. 3097 Oberteile in den Größen 62 bis 182 wurden farblich klassifiziert, und das Ergebnis war: Jungen tragen Schwarz, blau und Rot, Mädchen rosa. Noch übler sieht es geschlechtsspezifisch bei den Motiven aus, die gern auf solche Oberteile gedruckt werden. Auf den Shirts für Jungen, so heißt es, dominieren „draufgängerische Tiere“ wie Hai, Tiger, Bär und Hirsch, während es bei den Mädchen die schnuffigen wie Schmetterlinge, Flamingos, Katzen, Lamas und Pferde sind. Seltsamerweise werden Einhörner nicht ausdrücklich erwähnt, obwohl es doch offensichtlich nichts Mädchenspezifischeres gibt; Jungen mit Einhorn-T-Shirts sind gesellschaftlich tot, tot, tot.

Geschlechtsstereotype Zuordnungen

Einen schlechtgelaunten Kommentar des Bundesfamilienministeriums liefert die Zeitung gleich mit: Es würden hier „geschlechtsstereotype Zuordnungen“ deutlich, die sich „einschränkend auf zukünftige Lebensentwürfe und die Berufswahl der Kinder auswirken können“. Uff, ja. Ich nehme an, es wurde öfter mal versucht, eineiige Zwillinge zur Hälfte in blau und zur anderen Hälfte in rosa aufwachsen zu lassen – aber hätten wir nicht gehört, wenn da Wegweisendes im Sinne der aktuellen Genderforschung herausgekommen wäre? Andererseits verfügen wir ja aktuell über ungefähr 60 Geschlechter, da wäre es fast schon eine Überraschung, wenn ausgerechnet die Farbe des Strampelanzugs auf die jeweilige Ausprägung keinen Einfluss hätte.

Ach: Ein Detail habe ich aus dramaturgischen Gründen verschwiegen. Die beliebteste Oberteil-Farbe bei Jungen wie Mädchen ist laut Untersuchung: grau. Grau! Offenbar ändert sich doch was. Aber ob das die richtige Richtung ist?

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