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Politik: Mauerbau-Debatte: Interview: "Abschottung wie im Mittelalter"

Peter Porsch (56) ist in Sachsen Fraktions- und Landeschef der PDS, seit dem Bundesparteitag in Cottbus auch stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei. Der gebürtige Wiener, der vor der Wende in die DDR übersiedelte, hat mit einem Aufsatz zum Mauerbau auch eigene Parteifreunde gegen sich aufgebracht.

Peter Porsch (56) ist in Sachsen Fraktions- und Landeschef der PDS, seit dem Bundesparteitag in Cottbus auch stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei. Der gebürtige Wiener, der vor der Wende in die DDR übersiedelte, hat mit einem Aufsatz zum Mauerbau auch eigene Parteifreunde gegen sich aufgebracht. Er wird in der PDS zum Kreis der Reformer gerechnet.

Wie konnten Sie behaupten, der Mauerbau 1961 habe den Frieden in der Welt gesichert?

Es ist einfach der Professor mit mir durchgegangen. Ich wollte eine differenzierte Debatte eröffnen und musste erleben, dass aus einem längeren Text ein Satz isoliert und neu interpretiert wurde. Mein ganzer Text ist eine einzige Abrechnung mit der Mauer. Allerdings halte ich auch das Rausmauern heute für höchst problematisch.

Was meinen Sie damit?

Es entstehen neue Barrieren an der Außengrenze der Europäischen Union. Es wird versucht, sich von den Problemen der Welt abzuschotten. Mich erinnert das an die alten Stadtmauern im Mittelalter, die am Ende die Städte nie geschützt haben. Wir müssen uns doch mit den Problemen der Welt auseinandersetzen, um sie zu lösen.

Dieser Vergleich hinkt doch!

Die Mauer in Berlin war als Bollwerk nach innen gerichtet und hat die Menschen am Verlassen des Landes gehindert. Aber die Lehre aus dem Mauerbau muss sein, dass man sich vor Problemen nicht abschotten kann und in einer geschützten Zone eine eigene Entwicklung nehmen kann.

Für Ihre Relativierung des Mauerbaus bekommen Sie Beifall von Sahra Wagenknecht, Kritik von Gregor Gysi.

Alle Dokumente, neuerdings auch das Protokoll des Gesprächs von Kennedy und Chruschtschow Mai 1961 in Wien, aber auch die Memoiren von Franz-Josef Strauß, belegen, dass die Situation 1961 in Berlin höchst brenzlig war, ausgelöst durch die Verhältnisse in der DDR, die eine Massenflucht hervorgerufen haben. Westberlin war ein offenes Tor für diese Flucht und Chruschtschow wollte dieses Problem lösen, indem er Westberlin zur freien Stadt erklärt und die Kontrolle der Zugänge der DDR überantwortet. Das wäre für Kennedy der Kriegsfall gewesen. Strauß schreibt, dass die Pläne für einen Atomkrieg mit dem 13. August 1961 Makulatur geworden sind. Darum geht es. Natürlich ist die Mauer kein Bollwerk für den Frieden gewesen.

Ist das nicht ein Spagat: Die PDS hat weitere Regierungsbeteiligungen im Blick, andererseits fordert die Basis Zugeständnisse?

Die Basis trägt kritische Analysen mit.

Warum wollen Sie sich für den Mauerbau nicht entschuldigen?

Es wäre nichts leichter, als sich zu entschuldigen. Das ist schon ein Grund, der dagegen spricht. Ich denke, wir dürfen uns in dieser Frage nicht auf einen Ablasshandel einlassen - nach dem Motto, da sind welche, die können um Ablass bitten, weil sie schuldig sind, und da sind andere, die können Ablass gewähren.

Was erwarten Sie von der anstehenden Debatte im Parteivorstand?

Unsere Stellungnahme zum Mauerbau wird kritischer beäugt werden, als das ohne die Debatte um mich der Fall gewesen wäre. Ich habe keine Angst vor einem kritischen Umgang mit der Mauer. Sie hat, auch wenn sie dann 28 Jahre bestand, im Grunde das Ende der DDR eingeleitet. Wir dürfen aber auch nicht verschweigen, wieviel Hoffnungen, Illusionen und Engagement es hinter dieser Mauer gab, ebenso wie Widerstand und Kritik. Wer eine Mauer baut und keine Idee hat, wie er sie abbauen kann, der hat verspielt.

Gabi Zimmer hat in einem Brief an die PDS-Mitglieder geschrieben, die DDR sei ein Friedensfaktor in der Welt gewesen. Würden Sie diesen Satz unterschreiben?

Was ist denn passiert in den Jahren seit dem Krieg bis 1989?

Budapest 1956, Prag 1968?

Auch der Arbeiteraufstand 1953 in der DDR, die Vorgänge in Polen - immer wieder der Versuch, ein politisches System von innen aufzulösen, das ein großer Teil der Bevölkerung für perspektivlos und undemokratisch hielt. Dennoch stimmt der Satz von Gabi Zimmer - dies aber nur ausdrücklich vor dem Hintergrund der damaligen weltpolitischen Lage. Die DDR war einfach schon aufgrund ihrer ökonomischen Schwäche an der Systemkonfrontation nicht wirklich interessiert. Deshalb war die DDR auch innerhalb des Ostblocks eine Triebkraft für Entspannungspolitik. Auch wenn das nicht dem guten Willen Erich Honeckers entsprang.

Wie konnten Sie behaupten[der Mauerbau 1961 habe]

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