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Die Pkw-Maut nach Lesart der CSU beschäftigt die EU-Kommission.

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Update

Mautpläne der CSU: EU-Kommission: Kein grünes Licht

Die EU-Kommission hat im Streit um die Mautpläne der CSU nichts gegen eine Senkung der Kfz-Steuer für in Deutschland ansässige Autofahrer einzuwenden. Allerdings bleibt die Brüsseler Behörde dabei, dass es eine Diskriminierung von Ausländern bei der Pkw-Maut nicht geben darf.

Nicht länger als 19 Zeilen ist die Antwort des estnischen EU-Verkehrskommissars Siim Kallas auf eine Anfrage aus dem Europaparlament. Aber sie hat die Debatte um die Pkw-Maut für Ausländer, die CSU-Chef Horst Seehofer im Wahlkampf noch lautstark gefordert hatte, gewaltig befeuert. Zwar bleibt die EU-Kommission auf ihrem Standpunkt, dass es keine Diskriminierung von Ausländern bei einer Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen geben dürfe. „Es gibt kein grünes Licht für jedwede zukünftige Pläne für Mautsysteme in Deutschland“, sagte eine Sprecherin der Kommission am Donnerstagmittag in Brüssel. Dagegen sagte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), das Signal aus Brüssel gebe den Maut-Plänen seiner Partei "gewaltigen Rückenwind".

Der Grünen-Verkehrsexperte Michael Cramer hatte bei EU-Verkehrskommissar Kallas nachgefragt, ob die von CSU-Chef Seehofer im Wahlkampf vertretene Idee einer Pkw-Maut für Ausländer grundsätzlich mit Europarecht vereinbar sei. Die überraschende Antwort des EU-Kommissars: Es spricht nichts dagegen, wenn In- und Ausländer gleichermaßen eine Maut zahlen und die inländischen Straßennutzer anschließend über die Kfz-Steuer entschädigt werden. "Grundsätzlich stellt eine Senkung der Kraftfahrzeugsteuern für gebietsansässige Nutzer (...) bei gleichzeitiger Erhebung angemessener Nutzungsgebühren für alle Nutzer also keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar", heißt es im Schreiben der EU-Kommission. Im Klartext: Im Grundsatz hat die EU-Kommission nichts dagegen, wenn die Kfz-Steuern in Deutschland zur Kompensation einer generellen Maut für In- und Ausländer gesenkt würden. Damit wäre zwar eine Pkw-Maut für Ausländer vom Tisch - aber gleichzeitig in Deutschland ansässige Pkw-Fahrer besser gestellt.

Eine Sache der Mitgliedsstaaten

Ob EU-Staaten eine Kfz-Steuer erheben oder nicht, steht ihnen grundsätzlich frei. In einigen EU-Ländern - etwa in Polen - wird gar keine Kfz-Steuer erhoben. Anders als bei Lastkraftwagen gibt es in der EU keine Richtlinie für Mindestsätze bei Abgaben für Pkw-Fahrer. "Die Erhebung von Abgaben fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten", heißt es in der Antwort von Kallas.

EU-Kommissar Kallas weist in seiner Antwort an den Grünen-Verkehrsexperten Cramer zudem darauf hin, dass eine Pkw-Maut in einem angemessenen Verhältnis zur Nutzung der Infrastruktur stehen müsse. Daher sollten Straßenmautsysteme "eher in Form von Nutzungsgebühren als von Abgaben umgesetzt werden", schreibt Kallas. "Je stärker auf die Verhältnismäßigkeit der Mautsysteme geachtet wird, desto eher entsprechen sie dem Nutzerprinzip ('Nutzer zahlt') und desto weniger diskriminierend sind sie." In der Vergangenheit hatte die EU-Kommission in einem Rechtsstreit mit Österreich darauf gepocht, dass es in der Alpenrepublik auch günstige Vignetten für Durchreisende geben müsse.

Ausländer dürfen nicht diskriminiert werden

Nachdem Kallas' Antwort auf die Anfrage des Grünen-Verkehrsexperten am Mittwochabend publik geworden war, bemühte sich die Kommission um etliche Klarstellungen. "#Pkw-#Maut in #Deutschland? Kein grünes Licht von #EU-#Kommission, da Ob und Wie unklar", twitterte Kommissionssprecher Jens Mester am Donnerstag. Zudem müsse das Prinzip der Nichtdiskriminierung von Ausländern gelten. Auch die Sprecherin Marlene Holzner erklärte, dass eine von der CSU erwogene Variante nicht möglich sei, wonach in Deutschland ansässige Pkw-Fahrer eine Vignette mit der Kfz-Steuer zum Nulltarif erwerben könnten. Außerdem wies sie darauf hin, dass es bei einer Absenkung der Kfz-Steuer keinen direkten Zusammenhang mit einer möglichen Erhebung der Pkw-Maut geben dürfe.

Der SPD-Politiker Florian Pronold warnte unterdessen vor den Auswirkungen einer über die Kraftfahrzeugsteuer  kompensierten Pkw-Maut auf die Automobilindustrie. "Wenn die Vignette für Ausländer kommt und deutsche Autofahrer im Gegenzug bei der Kfz-Steuer entlastet werden, kann das den Elektromobil-Standort Deutschland schädigen", sagte Pronold dem Tagesspiegel. Man verringere damit den Anreiz zum Kauf schadstoffarmer Autos und benachteilige auch die Besitzer von Schwerbehinderten-Ausweisen. 

Mehrbelastung für deutsche Autofahrer

Die Höhe der Kfz-Steuer in Deutschland bemisst sich aktuell am Schadstoffausstoß, für Schwerbehinderte gibt es Ermäßigungen bis  zum kompletten Erlass, und auch Besitzer von Elektroautos sind für einige Jahre  von der Steuer befreit. Er sei sehr gespannt, wie man eine Benachteiligung von  Pkw-Besitzern in Deutschland verhindern wolle, die  jetzt schon weniger Kfz-Steuer zahlen als eine künftige Vignette kosten würde, sagte der SPD-Verhandlungsführer der Koalitonsarbeitsgruppe Verkehr, die sich am Donnerstag zum zweiten Mal traf.

Zudem prognostizierte Pronold, dass es mit einer Pkw-Maut über kurz oder lang auch zu einer Mehrbelastung für deutsche Autofahrer kommen werde. Wenn man unterm Strich nur Ausländer zur Kasse bitten wolle,  habe man fast keine Einnahmen, sagte er. Nur fünf Prozent aller Pkw auf deutschen Straßen seien nicht in Deutschland zugelassen. Und die Verwaltungskosten fräßen nochmal sieben  bis acht Prozent der Einnahmen auf, wie sich am Beispiel Österreichs zeige.  "Es bliebe fast nichts übrig, deshalb wäre dann auch bald der deutsche Autofahrer dran."

Pronold gab sich zuversichtlich, dass es nicht zu einer Pkw-Maut kommt. In der Arbeitgruppe könne man bei den Koalitionsverhandlungen den  Vorstoß nur ernsthaft diskutieren, wenn sich CDU und CSU einig seien, sagte Pronold.  "Wir warten noch immer auf einen gemeinsamen Vorschlag."

Dobrindt: "Die Pkw-Maut für Ausländer kommt"

Der dürfte aber noch etwas auf sich warten lassen. Denn auch die Christdemokraten sind von dem CSU-Vorschlag nicht überzeugt. Offen äußern wollen sich die Mitglieder der Arbeitsgruppe Verkehr, die neben Pronold auch von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) geleitet wird, nicht. Aber hinter vorgehaltener Hand äußern sie ähnliche Zweifel wie die Sozialdemokraten. Bestärkt von der Stellungnahme der EU-Kommission betonte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt jedoch, dass die Maut für seine Partei nicht verhandelbar sei: "Ohne Pkw-Maut für Ausländer werden wir einem Koalitionsvertrag nicht zustimmen“, erklärte Dobrindt auf Anfrage mehrerer Medien. „Die Pkw-Maut für Ausländer kommt. Wir haben immer gesagt, dass das EU-Recht nicht dagegen steht.“

Ein detailliertes Modell hat die CSU bisher nicht vorgelegt

An der Vereinbarkeit einer Pkw-Maut nach dem CSU-Modell mit EU-Recht bestehen bisher erhebliche Zweifel. Darauf weist auch die SPD hin, die eine Pkw-Maut ebenso wie die CDU-Spitze ablehnt. Hintergrund ist, dass das EU-Recht eine Benachteiligung wegen der Nationalität verbietet. In den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen gehört eine Pkw-Maut für Ausländer zu den Streitthemen. CSU-Chef Horst Seehofer hat ihre Einführung zur Grundbedingung einer Regierungsbeteiligung erklärt. Ein detailliertes Modell hat die CSU bisher nicht vorgelegt.

Die Diskussion um die Maut ist Teil der Beratungen, wie mehr Geld zur Sanierung der Verkehrswege aufgebracht werden kann. Mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen hatten alle 16 Länder ein Konzept vorgelegt, das unter anderem einen 40 Milliarden Euro schweren Sonderfonds aus zusätzlichen Bundesmitteln vorsieht. Als ergänzende Optionen einer "Nutzerfinanzierung" werden darin eine Ausweitung der Lkw-Maut und die Pkw-Maut für Ausländer genannt - die aber auf ihre Vereinbarkeit mit EU-Recht geprüft werden solle.

Welche Technik soll verwendet werden?

Doch gerade mit Blick auf die Lkw-Maut stellt sich ein ganz anderes Problem. Wie soll die Maut überhaupt technisch erfasst werden? Könnte man einfach auf das System, das für die Erhebung der Lkw-Maut derzeit benutzt wird, zurückgreifen? Wohl eher nicht, sagen die Verkehrsexperten. Das hat einen tatsächlich technischen Hintergrund, weil es sehr aufwendig wäre, jedes Fahrzeug mit einer sogenannten "On Board Unit" auszustatten, ein Gerät, das mittels Funk die Daten überträgt. Praktikabler erscheint eine Vignetten-Lösung. Es gibt aber auch ein rechtliches Problem. Der Vertrag mit dem Konsortium, das die Lkw-Maut betreibt läuft im August 2015 aus. Noch ist unklar, wie es weitergehen soll.

Der Vertrag könnte verlängert werden, das System könnte übernommen werden oder es wird eine Ausschreibung geben für neue Betreiber. Derzeit bilden Daimler, die Telekom und das französische Unternehmen Cofiroute das Konsortium. Seit Jahren streiten sich die Betreiber und der Bund um Milliarden-Strafzahlungen. Eine Einigung schien Ende vergangenen Jahres in Sicht, doch dazu kam es dann nicht. In den Koalitionsverhandlungen soll das Thema, wie Teilnehmer der Arbeitsgruppe sagen, nur am Rande eine Rolle spielen.

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