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Das passt zusammen.

© picture alliance / dpa

Medien und Trennungen: Die Ehe - ein Wunder!

Trennungen von Prominenten machen Schlagzeilen – das verfälscht das Bild. Knapp zwei Drittel aller Ehen in Deutschland halten. Die meisten tun es nicht nur, sie schaffen es auch. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Sie tun es, sie tun es wirklich. Das hat man einmal gesagt, als zwei Menschen, wie es altmodisch heißt, den Bund der Ehe schlossen. Heute wird es gesagt, vorgetragen meist im Gossip-Ton Hast-du-schon-gehört?, wenn Menschen sich trennen und neu verlieben. Aktuell trifft das auf Bundesjustizminister Heiko Maas und „die Neue an seiner Seite“, Schauspielerin Natalia Wörner, zu. Der Boulevard ist überall dabei, beim Händchenhalten, dem ersten gemeinsamen Auftritt im Jüdischen Museum in Berlin, dem Schrippenkauf. Das Publikum soll die Schmetterlinge im Bauch möglichst selbst flattern hören.

Bevor das geschah, im Juli 2009, stellte sich Heiko Maas seiner Saar-SPD noch so vor: „Nach vielen Stunden im Büro, unterwegs, in Gesprächen und Terminen freue ich mich auf zu Hause. Es ist schön, nach Hause zu kommen und zu sehen, dass meine beiden Söhne Jasper – er ist der ältere – und Jannes schon auf mich warten. Die Familie – meine Frau Corinna und meine Söhne – sind der Mittelpunkt meines Lebens: Man bricht von dort auf und kehrt wieder dahin zurück.“

Kein Mensch muss heiraten, aber wer es tut, legt ein Versprechen ab. „Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung“, heißt es trocken in Paragraph 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Ein Versprechen ist eine Handlung, mit der sich jemand gegenüber einem anderen auf eine bestimmte Verhaltensweise festlegt. Diese Verhaltensweise wird im Idealfall von einem tiefen Gefühl (Liebe) ausgelöst, verstärkt und begleitet, ist aber an dieses Gefühl nicht geknüpft.

Sich anbrüllen, einander wortlos gegenübersitzen, den anderen nicht verstehen: Solche Momente kennen wohl alle Ehepaare, ob sie zusammen bleiben oder sich trennen. Zum Glück spielt die Schuldfrage bei Scheidungen keine Rolle mehr. Doch den Entschluss zu einer Trennung kulturell als etwas im Zweifel Positives darzustellen, verringert die Bedeutung des Ringens um eine Beziehung. Vor knapp vierzig Jahren sang bereits Mario Hené: „Lieber allein als gemeinsam einsam“. Und Konstantin Wecker dichtet in dem Lied „Dass alles so vergänglich ist“: „Es gibt Geläuterte, die meinen, / man würd’ sich dann mit sich vereinen / und selig in den Himmel schweben, / jedoch verzeiht mir – ich will leben.“

Abschied, Befreiung, Scheitern, Niederlage: Das liegt oft eng beieinander

Leben wollen – ob Heiko Maas oder Angela Merkel, Christian Wulff oder Boris Becker, Gerhard Schröder oder Margot Käßmann, Rudolf Scharping oder Wladimir Putin, Donald Trump oder Joschka Fischer: Die Öffentlichkeit ist umgeben von Menschen, die an einer Ehe scheiterten, aber dann nicht das Scheitern zum Thema werden ließen, sondern den Neuanfang. Zumindest wirkt es so. Die belastende Zeit davor, der Schmerz und die Brüche, wird ausgeblendet. Das sei privat, heißt es.

Allerdings verdeckt die mediale Fokussierung auf Trennung und Neuanfang, das Kribbeln und die Überraschung, dass die große Mehrheit der Ehen in Deutschland hält und erst mit dem Tod eines Partners endet. Gemessen an der Größe der Aufgabe gleicht das einem Wunder. Sie tun es nicht nur, sie schaffen es auch.

Im Unterschied dazu werden nur rund ein Drittel aller in einem Jahr geschlossenen Ehen im Laufe der dann folgenden 25 Jahre geschieden (35 Prozent laut Statistischem Jahrbuch). Die Zahlen sind rückläufig. Dafür nimmt die Dauer der Ehen, die geschieden werden, zu: Im Jahre 2014 betrug sie im Durchschnitt 14 Jahre und acht Monate, 20 Jahre zuvor hielten sie genau zwölf Jahre.

„Allen Unkenrufen zum Trotz“, bilanziert der Münchner Soziologe Walter Bien, hätten Ehe und Familie in der Gesellschaft eine „deutlich höhere Bedeutung“, als es Medien und öffentliche Diskussion oft vermuten ließen. Auch das Bild von Familie als einem „wilden Durcheinander“ verschiedener Beziehungsformen entspreche nicht der Regel. Bien leitet das „Zentrum für Dauerbeobachtung und Methoden“. Dessen Hauptarbeitsgebiet ist die Sozialberichterstattung zu Familie, Jugend und Kindheit.

Jede Trennung ist für alle Beteiligten eine Krise. Abschied, Befreiung, Scheitern, Niederlage: All das liegt oft eng beieinander. Niemand von außen sollte sich anmaßen, über die Entscheidung der Betroffenen zu richten. Aber von außen darf das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass auch in der Ehe die „Falle einer Wegwerfmentalität“ zuschnappen kann, vor der Papst Franziskus unaufhörlich warnt. Auch Wunder wollen schließlich gepflegt werden.

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