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Medikamentenpreise: Billige Pillen, bittere Pillen

Europapolitiker wollen eine Angleichung der Medikamentenpreise – aber es gibt heftigen Widerstand.

Berlin - Europapolitiker aus Deutschland haben eine Angleichung der Medikamentenpreise in der EU gefordert. „Es muss endlich Schluss sein damit, dass deutsche Facharbeiter mit ihren Beiträgen den Millionären in Südeuropa die Arzneimittel subventionieren“, sagte der Vizechef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Peter Liese, dem Tagesspiegel. Dass lebenswichtige Medikamente in Deutschland fast doppelt so teuer seien wie in anderen EU-Staaten, sei nicht länger hinnehmbar.

In Deutschland werde „ein Hochpreisniveau kultiviert, das nicht sein müsste“, meint auch der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Jo Leinen (SPD). Zwar wird es aus seiner Sicht weder möglich noch sinnvoll sein, die Arzneipreise aller 27 Mitgliedsländer zu nivellieren. Aber ein „Rahmengesetz“, das ihnen den Eingriff in die Preisbildung erleichtert, werde dringend benötigt.

Aus Lieses Sicht ist die Gelegenheit günstig. Bisher habe sich vor allem Deutschland gegen Preisvereinbarungen und Harmonisierung gesträubt – aus Rücksicht auf seine Pharmaindustrie. Nun aber habe sich auch die Berliner Koalition auf ein Ende der freien Preisfestsetzung bei neuen Medikamenten verständigt. „Es gibt keinen Grund mehr, das nun nicht europaweit zu machen“, sagte Liese. Es sei abstrus, dass sich große deutsche Unternehmen auf den Reimport billigerer Arznei aus dem Ausland spezialisiert hätten und davon leben könnten.

Dabei geht es nicht um Aspirin, sondern um ganz andere Größenordnungen. Betaferon etwa, ein gängiges Mittel gegen Multiple Sklerose, kostet hierzulande in der 250-Mikrogramm-Dosis pro Milliliter 1429 Euro, in Italien nur 817 Euro. 100 Milligramm des Rheuma-Mittels Remicade sind in Portugal für 1460 Euro zu haben, deutsche Apotheker wollen dafür 2080 Euro. Das Krebsmittel Glivec kostet in der griechischen 400-Milligramm-Packung 6914 Euro, in der deutschen 7806 Euro. Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange: Im Sparpaket der Hellenen im Zuge der EU-Krise findet sich erneut eine 25-prozentige Preissenkung für Arzneimittel.

Der Gesundheitsausschuss im EU-Parlament hat eine Studie zum Thema in Auftrag gegeben. „Wir ziehen an einem Strang“, sagt Liese. Bei einer Harmonisierung könnten die deutschen Arzneipreise um 20 bis 40 Prozent sinken. Bei 9,8 Milliarden Euro, die in der gesetzlichen Krankenversicherung jährlich für innovative Arznei ausgegeben würden, sei das „eine Menge Holz“. Eine Harmonisierung brächte zudem „enorme Effizienzgewinne“, sagte Liese. Derzeit unterhielten die Firmen „riesige Stäbe“, um Preise von Land zu Land auszuhandeln „oder um auf anderem Wege auf die Preisbildung politischen Einfluss zu nehmen“. Das Geld dafür wäre, so Liese, „weit besser in der Forschung aufgehoben“. Für die heimische Industrie gebe es andere Unterstützungsmöglichkeiten als hohe Preise, meint der CDU-Mann. Ohnehin kämen diese vor allem ausländischen Firmen zugute. Viele der hierzulande teuer verkauften Medikamente stammten aus Frankreich, Großbritannien und den USA. Dagegen setze die deutsche Pharmaindustrie den Großteil ihrer Produkte in anderen Ländern ab.

Lieses Parteifreunde in Berlin überzeugt das nicht – sie erteilten dem Vorstoß eine Abfuhr. Gesundheitspolitik sei „aus gutem Grund originäre Aufgabe der Nationalstaaten“, beharrt Jens Spahn, CDU-Gesundheitspolitiker im Bundestag. „Da hat Brüssel nichts zu suchen.“ Die EU solle sich „lieber mal um die Finanzmarktregulierung kümmern, statt ständig neue Kompetenzen zu erschleichen“.

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