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Politik: Mehr als erwartet

Studie: Die Bürger spendeten schnell und großzügig – doch vom Staat fühlen sich viele Flutopfer schlecht betreut

Die Flutkatastrophe vor einem Jahr hat alle Erwartungen übertroffen. Die Unterstützung danach offenbar auch. Vor allem von den Hilfswerken hatten die Geschädigten weniger erwartet. Das sagten 53 Prozent von 850 Interviewten in einer Umfrage der Universität Halle-Wittenberg, die dem Tagesspiegel vorliegt. Dagegen klagte ein Drittel, vom Staat weniger Geld bekommen zu haben als erhofft. Im Auftrag der Caritas fragten die Soziologen im Juni in Sachsen und Sachsen-Anhalt nach, wie zufrieden die Flutopfer waren.

Die Erwartungen an den Staat und an die Hilfswerke waren sehr unterschiedlich. Während die meisten Unterstützung vom Staat als eine Art Grundrecht ansahen, empfanden sie die Angebote der Hilfsorganisationen wie ein Geschenk. Die Hilfe vom Staat schätzen viele Geschädigte als bürokratischer und weniger professionell ein als die von Caritas, Rotem Kreuz oder Diakonie. Alle drei Hilfswerke, die sich auf gemeinsame Kriterien für die Auszahlung der Hilfen geeinigt hatten, schnitten in der Bewertung gleich gut ab. Die staatliche Hilfe in Sachsen bekam bessere Noten als die in Sachsen-Anhalt. Der Grund: In Sachsen wickelt die Sächsische Aufbaubank die Anträge ab. In Sachsen-Anhalt sind die Landratsämter dafür zuständig. Und da gab es offenbar große Unterschiede bei der Bewertung der Anträge. Es soll sogar Landratsämter gegeben haben, die Antragstellern das Geld, das sie von einem Hilfswerk erhalten hatten, von der staatlichen Hilfe abzogen. Viele Flutopfer (42,8 Prozent) fühlen sich auch ein Jahr nach dem Hochwasser „in ihrer Lebensperspektive verunsichert“, heißt es in der Studie. Der Grund dafür ist die hohe Arbeitslosigkeit und die Furcht, womöglich als Spätfolge der Flut den Job zu verlieren. Außerdem hatten viele ihre Häuser oder Wohnungen noch gar nicht bezahlt, als die Flut kam. Im Vorfeld der Studie habe es Hinweise darauf gegeben, dass die zum Teil großen Summen, die aus Spendentöpfen an Privathaushalte geflossen sind, Missgunst geschürt haben, sagt Heiko Böttcher, Sprecher der Caritas-Fluthilfe. Die Studie kam jedoch zu einem anderen Schluss. Auf die Frage, ob sich das Verhältnis zu den Nachbarn nach der Flut verändert habe, antworteten 94 Prozent der Befragten, das Verhältnis sei gleich geblieben oder sogar besser geworden.

Bis heute sind die Betroffenen beeindruckt von der Hilfsbereitschaft von „Fremden“, die angereist waren, um Sandsäcke zu schleppen. Die Flutopfer unterstellen ihnen vor allem Mitleid als Motiv. Zugleich vermuten viele aber auch Neugier und Schaulust bei den Helfern. Drei von vier Befragten sind der Meinung, dass die Flut eine neue Solidarität zwischen Ost- und Westdeutschen geschaffen habe, die jedoch nicht von Dauer sei.

97 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass die Berichterstattung über die Flut in den Medien zu der überwältigenden Hilfsbereitschaft beigetragen hat. Rund zwei Drittel der Befragten sahen sich im Kampf gegen das Hochwasser dadurch ermutigt. Allerdings kritisierten auch 40,4 Prozent der Befragten, dass die Medien zu sensationsorientiert über die Flut berichtet hätten.

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