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Politik: Mehr Geld für Waffen? Zeit der Friedensdividende ist laut dem Nato-Oberbefehlshaber Europa vorbei

WESLEY CLARK (54) ist seit 1997 Nato-Oberbefehlshaber Europa. Der in Chicago geborene Sohn jüdisch-russischer Einwanderer wuchs wie Präsident Clinton in Little Rock (Arkansas) auf.

WESLEY CLARK (54) ist seit 1997 Nato-Oberbefehlshaber Europa. Der in Chicago geborene Sohn jüdisch-russischer Einwanderer wuchs wie Präsident Clinton in Little Rock (Arkansas) auf. Nach dem Streit mit dem britischen General Jackson im Kosovo-Konflikt um die Besetzung des Flughafens Pristina beschlossen die USA, Clark im Frühjahr vorzeitig zurückzuholen. Mit ihm sprach Christoph von Marschall.

In Deutschland gibt es Dikussionen über die Höhe des Wehretats. Auch der Gipfel der Nato-Verteidigungsminister in Toronto hat kritisiert, dass die Europäer zu wenig für die Verteidigung ausgeben, um technisch mit den USA Schritt zu halten und für Friedenseinsätze wie im Kosovo gerüstet zu sein. Wo liegen die Defizite der Deutschen?

Es ist nicht meine Sache, einzelne Mitgliedstaaten zu kritisieren. In Toronto versuchten wir die Lehren aus der Erfahrung im Kosovo zu ziehen. Eine wichtige war: Wir müssen mehr für die Krisenreaktionskräfte tun, müssen da mehr Ressourcen einsetzen. In den Luftstreitkräften brauchen wir mehr High-Tech. Bei den Bodentruppen hatten wir Probleme, ausreichend Einheiten zu finden, die sich rasch in Krisen außerhalb des Nato-Gebiets wie im Kosovo einsetzen lassen. Es geht vor allem um Militärpolizei, Ingenieure, multinationale Spezialtruppen, Kommunikation, Aufklärung und Unterstützungstruppen für die Infantrie.

Und wie steht es um die Luft-Transportkapazitäten der Bundeswehr?

Da ist die Nato bei ihren strategischen Verlege-Fähigkeiten an die äußersten Grenzen gestoßen. Hätten wir einen Bodentruppeneinsatz ermöglichen müssen, wäre es außerordentlich schwierig geworden. Wir haben keinen solchen Beschluss gefasst, deshalb ist es nicht zum Praxistest gekommen. Aber es ist deutlich geworden, dass es Engpässe gegeben hätte, wenn wir die Anforderungen hätten erfüllen müssen.

Wie groß waren die Meinungsverschiedenheiten in der Allianz über einzelne Operationen, etwa bei Ihrem Konflikt mit dem britischen General Jackson, der sich weigerte, den Russen zuvorzukommen bei der Besetzung des Flughafens von Pristina - mit der Begründung, er wolle keinen Dritten Weltkrieg auslösen? Ist das eine Gefahr für das Konzept der integrierten Kommandostruktur?

In allen Operationen internationaler Allianzen gibt es solche Differenzen, die auf unterschiedliche Verantwortungsbereiche der einzelnen Nationen zurückgehen. Hinzu kommen Auffassungsunterschiede zwischen verschiedenen Kommando-Ebenen, die unterschiedliche Probleme in den Vordergrund stellen. Aber unter dem Strich können wir feststellen, dass die Nato-Strukturen erfolgreich waren. Und das ist dem gemeinsamen Ansatz der Nato-Nationen zu verdanken.

Es gab Diskussionen, wie erfolgreich die Luftangriffe gegen serbische Ziele waren.

Aus unserer Sicht war es ein Erfolg. Wir haben unsere Erkenntnisse über die Treffer im Kosovo veröffentlicht. Die ganze Wahrheit in Serbien werden wir wohl nie erfahren. Aber wir haben genug getroffen, um die serbischen Truppen zum Abzug zu zwingen. Und während unserer Operation im Kosovo waren sie vollauf beschäftigt, sich zu verstecken, sodass sie ihr Zerstörungswerk dort nicht fortsetzen konnten.

In welchem Zeitraum können Sie sich ein demokratisches Serbien vorstellen?

Es ermutigt uns, dass es Menschen in Serbien gibt, die die Weitsicht und den Mut haben, das Milosevic-Regime herauszufordern. Der Kampf dauert schon lange und er wird hart bleiben. Aber das ist eine Aufgabe für das serbische Volk. Die Bürger müssen verstehen, dass ihre Zukunft, dass ihre Chancen, sich in Europa zu integrieren und das korrupte Verbrecher-Regime hinter sich zu lassen, davon abhängen, dass sie ihre Führung auswechseln. Wir glauben, dass sie Milosevic zur Rechenschaft ziehen müssen für seine Verbrechen.

Im Westen gibt es Zweifel, wie demokratisch solche Oppositionsführer wie Vuk Draskovic oder Zoran Djindjic sind. Ist das ein ernsthaftes Bedenken oder sollte gelten: Jeder Wechsel ist gut, weil er neue Chancen eröffnet?

Wir brauchen legitime Führer in Serbien, mit Kriegsverbrechern kann es keine Kooperation geben. Dann kann sich der Westen öffnen für Serbien und Serbien für demokratische Werte, dann kann Serbien seinen Platz in Europa finden.

Am Mittwoch hatte Javier Solana seinen letzten Arbeitstag als Nato-Generalsekretär. Was hat er erreicht?

Er hatte eine außergewöhnlich erfolgreiche Amtszeit. Drei neue Mitglieder wurden aufgenommen, die Partnerschaft für den Frieden mit ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten vertieft, die Beziehung zu Russland und zur Ukraine auf eine neue Grundlage gestellt. Und er hat dafür gesorgt, dass die Allianz in ihrem ersten Konflikt außerhalb des Bündnis-Gebiets erfolgreich war. Kein anderer Generalsekretär hat größere Herausforderungen in seiner Amtszeit bewältigt. Es war eine brilliante Arbeit.

Niemand vermag alle Probleme zu lösen. Welche Aufgaben hinterlässt Solana seinem Nachfolger?

Das ist eine wichtige Frage, die Generalsekretär Solana gewiss mit Lord George Robertson eingehend besprechen wird.

Nehmen wir einmal an, die Nato steht in der nahen Zukunft vor einem vergleichbaren Problem wie Kosovo. Wären die europäischen Mitglieder dann in der Lage, es alleine zu lösen, ohne amerikanische Hilfe?

Das hängt nicht nur von den militärischen Möglichkeiten ab. Zum Erfolgsrezept im Kosovo gehörten der Zusammenhalt, die politische Einigkeit und die Entschlossenheit, zu handeln. Als sich die Lage im Sommer 1998 bereits einmal zuspitzte, fehlte es leider an diesen Voraussetzungen. Damals trafen einzelne Regierungen ihre individuellen Entscheidungen. Künftig wird es ein stärkeres Bemühen um eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU geben, vielleicht lässt sich diese notwendige Geschlossenheit dann in einer früheren Konfliktphase erreichen, sodass die Warnung ausreicht und Waffen erst gar nicht eingesetzt werden müssen. Dann hätten die europäischen Partner die Chance, einen solchen Konflikt alleine zu lösen. Was die militärischen Möglichkeiten betrifft, gibt es keine schnelle Lösung. Es wird Jahre dauern, ehe die Europäer durch verstärkte Investitionen den technischen Vorsprung der USA aufholen können. Die Zeit der Friedensdividende ist vorüber. Es gibt ernsthafte Sicherheitsprobleme zu bewältigen. Das geht nur mit gut ausgerüsteten Truppen, die auch jenseits des Nato-Gebiets eingesetzt werden können. Das erfordert größere Resourcen für die Verteidigung.

Braucht Deutschland einen höheren Wehretat, um sich Satellitenaufklärung, Lufttransport und ähnliches leisten zu können?

Mit größeren Resourcen meine ich nicht notwendig mehr Geld. Aber beim Einsatz des Geldes muss mehr herauskommen. Vielleicht lassen sich in den Apparaten Mittel einsparen, die man dann für Entwicklung und Beschaffung moderner Ausrüstung ausgeben kann. Die heutigen Bemühungen bei Investitionen reichen jedenfalls nicht aus, um die technologische Lücke gegenüber den USA zu schließen.

Ist das eine Gefahr für den Zusammenhalt der Allianz?

Ja, das ist eine Gefahr in dem Sinne, dass die Teilung der Risiken und die Teilung des Nutzens zu den Grundprinzipien gehören. Es muss keine direkte Vergleichbarkeit geben, aber die Lücke darf auch nicht zu groß werden. Sonst gibt es in Krisen keinen Zusammenhalt.

In Solanas Amtszeit sind die Deutschen von einer Sonderrolle mit beschränkter Einsatzbereitschaft, zumindest außerhalb des Bündnisgebietes, in eine neue Rolle als Partner mit gleichen Rechten und Pflichten gewachsen. Wie kommen sie in Ihren Augen zurecht?

Die deutschen Truppen sind einfach großartig. Sie haben eine wundervolle Führung und hervorragende Soldaten. Dass Deutschland in diese Rolle hineingefunden hat, die volle Mitverantwortung in der Nato zu tragen - wozu auch das Kommando von General Klaus Reinhardt von morgen an über die KFOR gehört - ist ein herausragender Beitrag.

In Deutschland gibt es Dikussionen über die H

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