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Politik: Mehr Integration, weniger Religion

In Kanada fordert eine Regierungskommission einen anderen Umgang mit Einwanderern

Für manche ist sie eine Sammlung von Selbstverständlichkeiten, für andere eine kräftige Provokation. Eine im Auftrag der Regierung der Provinz Quebec vorgelegte Liste von Empfehlungen und Forderungen zum Thema Einwanderung hat in Kanada eine seit längerem schwelende Debatte belebt, die der Diskussion in Deutschland ähnelt. Im Laufe des vergangenen Jahres hatte eine Kommission unter Leitung des international angesehenen Philosophen und Multikulturalismus-Vordenkers Charles Taylor Dutzende öffentlicher Anhörungen veranstaltet, in denen es um die Frage ging, wie Einwanderer und gebürtige Quebecer besser miteinander auskommen können. Anlass waren Auseinandersetzungen in der französischsprachigen Provinz, bei denen Forderungen streng religiöser Minderheitsvertreter auf Widerstand bei Teilen der zunehmend säkular eingestellten Bevölkerungsmehrheit gestoßen waren. Dabei ging es vor allem um orthodoxe muslimische und jüdische Gruppen. Nun legten Taylor und der zweite Vorsitzende der Kommission, der Soziologe Gerard Bouchard, ihren Abschlussbericht in Montreal vor.

Die Kommission fordert, die Lebensbedingungen für Einwanderer und Vertreter ethnischer und kultureller Minderheiten zu verbessern. Zugleich lehnt sie ein weitreichendes Entgegenkommen gegenüber Migranten aus religiösen Motiven ab. „Unsere Anhörungen haben ergeben, dass Mitglieder der ethnischen Minderheiten Arbeitsmöglichkeiten wichtiger sind als Zugeständnisse“, sagte Kommissions-Chef Bouchard. Daher fordern er und Taylor die Regierung auf, ausländische Zeugnisse und Abschlüsse schneller anzuerkennen und die Quoten für Einwanderer noch besser darauf abzustimmen, welchen Bedarf an neuen Arbeitskräften es gibt. Keine Kompromisse will die Kommission bei der Gleichberechtigung der Geschlechter sowie bei der weltlichen Ausrichtung des öffentlichen Lebens machen. So wird vorgeschlagen, dass die Regierung das Konzept eines „offenen Säkularismus“ stärker gegenüber neuen Einwanderern vertritt und ihnen dabei hilft, sich mit den Spielregeln der sie aufnehmenden Gesellschaft vertraut zu machen. Auch wird die Idee unterstützt, die Gleichberechtigung der Geschlechter in der Verfassung festzuschreiben.Daneben gibt es aber auch viele Forderungen, mit denen den Klagen von Einwanderern und religiösen Minderheiten Rechnung getragen werden soll. So empfiehlt die Kommission Arbeitgebern, bei der Gewährung religiöser Feiertage flexibler zu sein, und fordert generell mehr Unterstützung für Einwanderer bei der Integration in den Arbeitsmarkt oder die Schulen. Auch soll der Staat noch mehr als bisher zu religiöser Neutralität verpflichtet werden, unter anderem durch ein Verbot christlicher Symbole und Gebete in der Nationalversammlung von Quebec und in Gemeindeparlamenten. Staatsdiener, bei denen die Unparteilichkeit besonders wichtig ist, sollen ebenfalls keine religiösen Symbole zur Schau stellen dürfen. Das soll unter anderen für Richter, Polizisten und Parlamentsvorsitzende gelten.

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