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Politik: Mehr Misshandlungen bei Bundeswehr

Die Bundeswehr hat auch im 50. Jahr ihres Bestehens mit Gewalt, Misshandlungen und rüden Umgangsformen zu kämpfen. Das geht aus dem Jahresbericht des scheidenden Wehrbeauftragten des Bundestags, Willfried Penner, hervor. Noch nie gab es so viele Beschwerden wie im vorigen Jahr.

Berlin (15.03.2005, 16:37 Uhr) - Schwerpunkte waren Mängel bei Auslandseinsätzen und Personalangelegenheiten sowie Misshandlungen. Der Wehrbeauftragte registrierte 6154 Klagen bei 264 000 Soldaten.

Besonders heikel ist das Thema Misshandlungen. Die Zahl der im Jahresbericht erwähnten Fälle hat sich auf insgesamt 94 erhöht (2003: 58). Unter dem Stichwort «besondere Vorkommnisse» listeten Wehrbeauftragte und Verteidigungsministerium schwere Misshandlungen auf: So etwa ein «Nierenspiel», bei dem sich zwei betrunkene Soldaten abwechselnd auf die Nieren schlugen. Einer der beiden erlitt einen Riss der Milz, die in einer Notoperation entfernt werden musste.

Als Folge der Vorgänge am Bundeswehrstandort Coesfeld, wo entgegen der Vorschrift Geiselnahmen und Verhöre nachgestellt wurden, seien 43 Fälle von Gewalt unter Soldaten angezeigt worden. Penner beklagte, dass sich kein Betroffener an die Vertrauenspersonen gewandt habe. Diese Vertrauenssoldaten wiederum hätten sich auch nicht beschwert, weil sie die beklagten Vorgänge als Teil der Ausbildung betrachteten.

Bei der Erläuterung des letzten von ihm erstellten Berichts - der 68-Jährige geht im Mai in den Ruhestand - gab Penner allerdings zu bedenken, dass gut ein Drittel aller Eingaben Personalangelegenheiten wie beispielsweise Versetzungen und Beförderungen betreffe.

Nach wie vor wird in den Kasernen auch Rechtsextremismus registriert. Die Fälle seien 2004 (134 Vorgänge) im Vergleich zu 2003 (139) nahezu unverändert geblieben. Dazu habe das Grölen von Nazi- Parolen und der «Hitler-Gruß» gehört - zumeist ausgeführt von Soldaten in alkoholisiertem Zustand.

Kritik gebe es auch an den Auslandseinsätzen. «Der Sinn von Einsätzen muss aus Sicht der Soldaten erkennbar sein und erklärt werden können», forderte Penner. So könne ein Einsatz auf dem Balkan aus Soldaten-Sicht Sinn machen, weil damit Massenflucht in den Westen verhindert werde. Ein Einsatz in Afghanistan stärke Zweifel, weil die Bekämpfung des Anbaus von Drogenpflanzen unterbleiben müsse.

In 159 Fällen wurde der Verdacht sexuellen Fehlverhaltens gegen Frauen geäußert. (2003: 112). Die Beschwerden reichen von verbalen Zudringlichkeiten bis zu körperlichen Kontakten oder eindeutigen Kurzmitteilungen per Handy.

Bei der Übergabe des Berichts dankte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse dem SPD-Politiker Penner für fünf Jahre engagierter Arbeit. Der Nachfolger des Wehrbeauftragten soll nach SPD-internen Querelen erst nach Ostern vom Bundestag gewählt werden. (tso)

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