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Politik: Mehr Reformen fürs Geld (Leitartikel)

Die vom Wissenschaftsrat empfohlene große Hochschulreform richtet sich gegen jene heimliche Koalition zwischen Studenten und Professoren, die die Qualifikationszeiten in Deutschland so belassen wollen, wie sie sind. Genau diese überlangen Zeiten haben den Wissenschaftsrat seit 1966 umgetrieben.

Die vom Wissenschaftsrat empfohlene große Hochschulreform richtet sich gegen jene heimliche Koalition zwischen Studenten und Professoren, die die Qualifikationszeiten in Deutschland so belassen wollen, wie sie sind. Genau diese überlangen Zeiten haben den Wissenschaftsrat seit 1966 umgetrieben. Heute sind wir schon längst in vielen Studiengängen bei Studienzeiten zwischen sieben und acht Jahren angekommen. Solche langen Studienzeiten schieben alle folgenden Qualifikationszeiten immer weiter nach hinten. Wer die Universität mit 28 oder 30 Jahren verlässt, startet nicht nur viel zu spät im Beruf, er wird auch die Promotion erst mit 33 Jahren erreichen. Am Ende dieser überlangen Qualifikationszeit steht der mit 40 Jahren zum ersten Mal berufene Nachwuchsprofessor.

Die Kultusminister haben sich bereits darauf festgelegt, dass künftig die deutschen Studenten spätestens mit 25 Jahren ihr Examen in der Tasche haben und dass die Erstberufung zum Professor mit 35 Jahren erfolgen soll. Das ist Ziel der Dienstrechtsreform. Der Wissenschaftsrat ergänzt dieses Konzept durch eine Studienreform. Damit wird aus einer Kombination von Dienstrechts- und Studienreform die große Hochschulreform. Heute kann man nicht mehr davon ausgehen, dass sich die Jugendlichen in einer einzigen Ausbildungszeit auf einen Beruf vorbereiten, den sie ein Leben lang ausüben. Dem setzt der Wissenschaftsrat die Konzeption einer kürzeren, aber gestuften Ausbildung entgegen: Der Bachelor soll künftig für die große Masse der Studenten nur eine Berufsbefähigung vermitteln, die in drei bis vier Jahren zum Abschluss führt. Die meisten sollen danach in den Beruf gehen. Nur einer Elite wird direkt nach dem Bachelor der Zugang zu einer zweijährigen Master-Ausbildung ermöglicht. Die Kombination von Bachelor und Master darf fünf Jahre nicht überschreiten.

Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass der Wissenschaftsrat mit Unterstützung der Politiker in Bund und Ländern jetzt noch etwas Anderes als eine große Hochschulreform empfiehlt. Überholt sind solche Fragen, ob man Studienabbrechern nach dem Vordiplom und zwei weiteren Semestern ein erleichtertes Abschlussexamen bietet. Es geht auch nicht mehr allein darum, mehr ausländische Studienanfänger nach Deutschland zu locken. Wären nur diese begrenzten Reformschritte umzusetzen, dann hätten die Traditionswächter, die Fakultätentage, nicht die Gefahr an die Wand gemalt: Den Diplomstudiengängen drohe die "Kannibalisierung" durch Bachelor und Master.

Bund und Länder sollten nicht mit der Bereitschaft aller Hochschulen rechnen, diese Reform zügig umzusetzen. Denn sie läuft auf eine Absage an die einstufigen und damit langen Magister- und Diplomstudiengänge hinaus. Die Hochschulen kann man ohnehin nicht den Studenten und Professoren überlassen. Aber auch die Politiker in ihrer kurzfristigen Orientierung auf nur einer Legislaturperiode sind nicht die Hüter des Steins der Weisen. Und vor Allmachtsgelüsten einer über die Legislaturperioden hinaus wirkenden Ministerialbürokratie ist nur zu warnen. Wenn die so überfällige Hochschulreform jetzt endlich Wirklichkeit werden soll, gibt es nur einen Weg: In jedem der 16 Länder sollten die Regierungen mit den Hochschulen Verträge aushandeln. Das Motto heißt: Geld gegen Reformen. Auf der Grundlage solcher Verträge müssen die Hochschulen die neuen Studiengänge nach klaren Zeitvorgaben einrichten. Viel zu lange ist über die große Hochschulreform nur geredet worden. Jetzt muss gehandelt werden.

Uwe Schlicht

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