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Politik: Mehr Steuerautonomie für die Länder?

Die zweite Stufe der Föderalismusreform soll die Finanzbeziehungen zum Bund neu regeln

Im Herbst beginnen die Gespräche über die zweite Stufe der Föderalismusreform, in der es um die Bund-Länder-Finanzbeziehungen geht. Anlass für eine kleine Serie im Tagesspiegel: Finanzen im Föderalismus in Deutschland, in den USA, Kanada, Spanien und der Schweiz. Teil 1: Die Vorbereitungen in der Bundesrepublik.

Berlin - Die Liste ist überschaubar: Neun Punkte haben sich die Ministerpräsidenten der Länder und die Bundesregierung für die zweite Stufe der Föderalismusreform vorgenommen. Immerhin wird das Papier als „offene Themensammlung“ bezeichnet, ist also noch erweiterbar. In einem Punkt besteht auch schon eine weitgehende Einigkeit: wie man Haushaltskrisen, also vor allem der immensen Verschuldung der öffentlichen Haushalte, entgegenwirkt und sie künftig verhindert. So wird überlegt, ob man ein „Frühwarnsystem“ einrichtet – de facto heißt das wohl, den schon bestehenden Finanzplanungsrat aufzuwerten. Überlegt wird, Verschuldungsgrenzen und andere „Schuldenbremsen“ in die Verfassung einzubauen. Auch an Sanktionen für Schuldensünder ist gedacht. Eine wichtige Rolle spielt dabei wieder einmal das Bundesverfassungsgericht: Denn auf dessen Urteil zur Haushaltsnotlagenklage des Landes Berlin warten alle Länder und der Bund schon jetzt gespannt. Denn dann hat die Politik einige Anhaltspunkte, wie sie verfahren soll – ohne das Gericht ist das angesichts der tiefen Gegensätze vor allem unter den Ländern offenbar nicht möglich.

Freilich ist ein „nationaler Entschuldungspakt“, wie etwa der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) das Vorhaben nennt, streng genommen noch keine Reform des föderalen Finanzsystems, sondern allenfalls die Korrektur der übermäßigen Verschuldung. Möglich wird das unter anderem durch die erste Stufe der Föderalismusreform: Darin wurde vereinbart, dass die Länder an möglichen Strafzahlungen bei einem Bruch des Euro-Stabilitätspakts beteiligt werden, und zwar zum Teil nach dem Verursacherprinzip.

Der Kern des föderalen Finanzsystems aber – Steuerverteilung und Finanzausgleich – wird derzeit eher zurückhaltend zum Thema gemacht. Allein der baden-württembergische Regierungschef Günther Oettinger (CDU) hat aus seiner Gebersicht gefordert, auch hier anzusetzen. Dagegen haben vor allem die Ost-Ministerpräsidenten klar gemacht, dass eine Veränderung des Status quo nicht in ihrem Interesse ist. Immerhin gehören zu der beschlossenen „offenen Themenliste“ auch ein „Prüfauftrag“, der nach dem Finanzausgleichsgesetz bis 2008 abzuschließen ist, und die „Stärkung der Eigenverantwortung der Gebietskörperschaften“. Dahinter verbirgt sich die Frage, ob die Länder mehr Autonomie in der Steuerpolitik bekommen sollen.

Mit dieser Autonomie ist es in Deutschland nicht weit her. Das ist das Ergebnis einer kurzen Studie des Hannoveraner Föderalismusforschers Hans-Peter Schneider für mehrere politische Stiftungen, darunter auch die von CDU, SPD, FDP und Grünen. Während demnach in den USA und der Schweiz die Bundesstaaten und Kantone über sehr viel Eigenständigkeit in Steuerdingen verfügen, ist diese Autonomie der Regionen in Russland sehr gering. Deutschland, so Schneider, müsse man näher am russischen Modell sehen als am amerikanischen oder schweizerischen. Das Fazit des Wissenschaftlers: Messe man das an der Grundidee des Föderalismus, nämlich an der Balance zwischen Einheitlichkeit und Vielfalt, „legt diese Eingruppierung eine Ausweitung der eigenständigen finanziellen Spielräume der Länder nahe“.

So haben die deutschen Bundesländer praktisch keine gesetzgeberischen Möglichkeiten in der Steuerpolitik und sind damit vom Bund abhängig. Sie können nicht über ihre Einnahmen bestimmen und sind darauf angewiesen, über den Bundesrat Einfluss zu nehmen. Zwar bekommen die Länder feste Anteile an der Umsatz- und Einkommensteuer, deren Höhe wird aber allein auf Bundesebene festgelegt. Einige Landespolitiker fordern hier deshalb ein Abschlags- und Zuschlagsrecht für die Länder. Das immer wieder als zu bürokratisch kritisierte, unübersichtliche deutsche System des Länderfinanzausgleichs ist laut Schneider „sonst nirgendwo in der Welt üblich“. In anderen Föderalstaaten wie den USA kommt man sogar völlig ohne solche Ausgleichssysteme aus, obwohl die regionalen Unterschiede der Lebensbedingungen recht groß sind.

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