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Politik: Mehr Tempo mit dem Transrapid

DEUTSCHLANDS EXPORTE

Von Alfons Frese

Unter der Nummer 643316 ließ Hermann Kemper beim Reichspatentamt die Erfindung seiner „Schwebebahn mit räderlosen Fahrzeugen“ eintragen. Das war vor 69 Jahren, in Berlin. Morgen, zu Silvester, ist die Magnetschwebebahn auf Jungfernfahrt, in Schanghai. Den Erfinder Kemper, 1977 gestorben, hätte das kaum gewundert. Er soll einmal gesagt haben, die Chinesen würden seine Idee vermutlich eher verwirklichen als die Deutschen. Aus Berlin, einer ehemals wirtschaftsstarken europäischen Metropole, reist der Bundeskanzler zur Feier des Tages in die gegenwärtig aufregendste und vitalste Stadt der Welt – da passt der Transrapid hin.

Schröder auch. Denn China wird als Wirtschaftspartner immer wichtiger. Vor allem für die Exportnation Deutschland, die ihren Wohlstand zu großen Teilen der weltweiten Beliebtheit ihrer Autos und Maschinen verdankt. Knapp ein Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung entfällt auf die Ausfuhr von Gütern und Dienstleistungen, ungefähr ein Viertel aller Arbeitsplätze hängt vom Außenhandel ab. Das gilt auch für die 300 Arbeitnehmer im ThyssenKrupp-Werk in Kassel, die den Transrapid bauen. Und die sich von Schröders Reise neue Aufträge erhoffen.

Grenzüberschreitende Geschäfte zu fördern – das ist auch ein politischer Wert. So hat der Handel über den Eisernen Vorhang hinweg dazu beigetragen, dass dieser letztlich fiel. Das Engagement des Bundeskanzlers für die Wirtschaft ist aber auch eine bare Selbstverständlichkeit.Zum Beispiel in China. Da kommen Politik und Geschäft zusammen: Vielleicht erleben Schröder und Ministerpräsident Zhu Rongji ja eine dermaßen tolle Fahrt im Transrapid, dass die Chinesen sich für den Bau einer zweiten Strecke entscheiden. Und was sind die 31 Kilometer zwischen dem Flughafen Schanghai und der Stadtgrenze gegen die 1300 Kilometer zwischen Schanghai und Peking? Die Entscheidung soll im kommenden Jahr fallen.

Seit 25 Jahren wird in der Bundesrepublik über den Transrapid diskutiert, in zwei Jahren haben die Chinesen die erste echte Strecke gebaut. Acht Minuten braucht die Bahn für die 31 Kilometer, 574 Passagiere schweben mit, die Baukosten betragen 1,3 Milliarden Euro. Das kann eine tolle Sache werden – denn wenn sich die Bahn in Schanghai bewähren sollte, steigen die Chancen auf weitere Einsätze. Zum Beispiel in den USA, vielleicht auch in Deutschland.

Ein Metrorapid zwischen Dortmund und Düsseldorf ist im Gespräch oder ein Flughafenzubringer in München. Für das Ruhrgebiet sprechen nicht nur Schröders Silvester-Begleiter in Schanghai, Ministerpräsident Peer Steinbrück und dessen Vorgänger Wolfgang Clement, sondern auch die Hilfszusagen des Bundes: Den Bayern will die Regierung mit 550 Millionen Euro helfen, den Nordrhein-Westfalen mit 1,75 Milliarden Euro. Aber passt so ein rasender Zug ins Ruhrgebiet, wo jede Menge Haltestellen geplant sind und die Höchstgeschwindigkeit deshalb nie ausgefahren werden kann?

Chinesen lächeln und bauen, wir diskutieren verkniffen. Wenn das so weitergeht, wird das nichts mit einem Transrapid zur WM 2006. Es sei denn, Franz Beckenbauer würde auch noch Chef der Transrapid-Gesellschaft.

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