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Politik: Mehr Zeit für Athen

Bislang lehnte die FDP es ab, Griechenland bei den Reformen Aufschub zu gewähren. Nun zeigen sich die Liberalen kompromissbereit.

Von Antje Sirleschtov

Mainz - In der FDP-Bundestagsfraktion wächst die Einsicht, dass Griechenland womöglich mehr Zeit gegeben werden muss, die vereinbarten Reformen umzusetzen. Am Ende der zweitägigen Klausurtagung der Abgeordneten der FDP im Bundestag sagte ihr Fraktionschef Rainer Brüderle am Freitag: „Entscheidend ist nicht die Zeitachse“, sondern die Frage, wie glaubwürdig die griechische Regierung die notwendigen Strukturveränderungen in die Praxis umsetzt. Bislang hatten die Liberalen jeden Rabatt für Athen, auch einen zeitlichen Aufschub, kategorisch abgelehnt. Nun sagte Brüderle, keiner erwarte, dass die Griechen den Strukturwandel „bis morgen schaffen“.

Für ihn sei entscheidend, dass Athen in den kommenden Wochen die versprochenen Reformen im Parlament beschließt und Hilfe bei der Umsetzung aus Europa akzeptiere. Brüderle sprach von „einer Art Treuhandanstalt“, wie man sie aus den ersten Jahren in Ostdeutschland kenne und die jetzt in Griechenland bei der Umsetzung der Reformen helfen könne.

Die FDP bereitet sich mit diesem Kursschwenk auf die anstehenden Entscheidungen im Bundestag in diesem Herbst vor. Bisher hatten die Liberalen, allen voran ihr Vorsitzender Philipp Rösler, immer wieder betont, dass man der griechischen Regierung keine weiteren Zugeständnisse machen werde, wenn der Bericht der Troika aus Internationalem Währungsfonds, EZB und EU-Kommission feststellt, dass Athen die Reformziele verfehlt. Bei einer Abstimmung über die Auszahlung weiterer Finanzmittel wären die Liberalen dann gezwungen gewesen, mit „Nein“ zu stimmen – wenn sie ihre Glaubwürdigkeit hätten behalten wollen. Nun wurden sie unter anderem durch Meldungen der vergangenen Tage aufgeschreckt, in denen es hieß, die griechische Wirtschaft habe bei Export, Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitskosten große Fortschritte gemacht.

Bei der Klausurtagung in Mainz hatte auch der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, ihnen ins Gewissen geredet, den gerade einsetzenden Reformprozess nicht durch übereilte Entscheidungen zu stoppen. Wer Investoren nach Athen locken wolle, hatte Hüther den Liberalen gesagt, der dürfe nicht alle paar Monate Unsicherheit über die Solidarität Europas mit den Griechen verbreiten. Denn das vertreibe potenzielle Investoren. Keinen Zweifel ließ Brüderle indes daran, dass die FDP grundsätzlich zu ihrer Haltung stehe, dass die europäischen Schuldenländer ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und Strukturreformen durchführen müssen. „Wenn die Länder die Rosskur durchstehen“, sagte er, werde das die Leistungsfähigkeit ganz Europas verbessern.

Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) bezeichnete der Fraktionschef in diesem Zusammenhang als „grenzwertig“. Zwar stochere die Politik in der gegenwärtigen Krise zuweilen im Nebel. Der falsche Weg sei es aber aus Sicht der FDP, wenn jetzt die Gelddruckmaschinen angeworfen und dadurch der Reformdruck von den Schuldenstaaten genommen werde. Antje Sirleschtov

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