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Auch für Limbo-Tänzer eine Zumutung - die preußische Pickelhaube

© picture alliance / dpa

Mein Sommer in Berlin (2): Die Rückkehr der Pickelhaube

Plötzlich scheinen die Pickelhauben aus dem Boden zu sprießen wie im Frühling der Krokus. Zuletzt auf dem Titel der "Bild"-Zeitung, doch sehr lange schon auf den Köpfen vieler Berliner Fahrradfahrer. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Pascale Hugues

Sind die Deutschen einer beunruhigenden Nostalgie verfallen? Ihre Sehnsucht nach der Epoche von Schiller und Goethe ist nichts Neues. Spätestens seit dem jüngsten Besuch der Queen weiß man, dass ihre Träumereien von der Monarchie keineswegs abgedankt hatten. Und dass sie gelegentlich der ruhmreichen Zeit des Wirtschaftswunders und – angesichts der Zeitläufte – manchmal auch der guten alten D-Mark nachtrauern. Aber dass sie heimlich die Pickelhaube bewundern! Und das in einem Land mit einer so düsteren Vergangenheit wie Deutschland! Nie im Leben!

Diese Woche scheinen die Pickelhauben aus dem Boden zu sprießen wie im Frühling der Krokus. Die erste ist mir förmlich ins Gesicht gesprungen: Dienstagmorgen thronte sie, ob Sie es glauben oder nicht, auf dem Schädel von Angela Merkel. Ein echtes preußisches Exemplar mit einem vergoldeten Adler auf der Vorderseite. Darunter das besorgte Gesicht der Bundeskanzlerin. Ihre durchdringenden blauen Augen. Aber ihre Miene sagt wie immer, und das klingt wie ein Paradox: „Ich bewege mich mit vorsichtigen kleinen Schritten auf den von der Diplomatie gebahnten Pfaden. Nein, nein, ich marschiere nicht drauflos wie ein Elefant im Porzellanladen.“

Ich traute meinen Augen nicht. Ich ging näher heran. Das war nicht die Titelseite einer polnischen Zeitung oder – was angesichts der aktuellen Situation nicht verwunderlich gewesen wäre – einer griechischen Tageszeitung auf der Suche nach Provokation. Nein, die „Bild“-Zeitung war es, die mich verhöhnte, als ich Dienstagmorgen am Zeitungsladen vorbeiradelte. Das chauvinistische Flaggschiff von Axel Springer hatte sich dieses Symbols bemächtigt und bestimmte in großen Buchstaben: „Heute brauchen wir die Eiserne Kanzlerin.“

Wie die Stammtische in diesem Land gejubelt und die Biertrinker in den bayrischen Biergärten einhellig zugestimmt haben müssen! Jawohl, Frau Merkel, hart bleiben wie Eisen. Ich konnte die Pickelhaube nur anstarren. Als hätte sich die neue unverkrampfte Identität der Republik aufgelöst, um so etwas zu wagen. Gehört die Pickelhaube denn nicht wie der Hitler-Schnurrbart und das Hakenkreuz zu dem praktischen Arsenal historischer Symbole, aus dem wir anderen Europäer uns gern bedienen, wenn wir Deutschland einen Tiefschlag versetzen wollen? Aber dass die Deutschen selbst zu dieser Waffe greifen …

Ich biege mich vor Lachen, wenn ich die pazifistischen Öko-Berliner beobachte

Wie Sie vielleicht festgestellt haben, hat die Pickelhaube in den Berliner Straßen bereits Nachahmer gefunden. Die Szene trägt keine aerodynamischen Fahrradhelme in Neonfarben mehr. Oh nein, das neueste Modell ist eine glatte runde Muschel in Feldgrau, die sich an den ganzen Kopf anschmiegt. Eine neu interpretierte Pickelhaube ohne Spitze.

Ich biege mich vor Lachen, wenn ich die pazifistischen Öko-Berliner beobachte, wie sie in Shorts und Sneakers zum Bioladen radeln. Sie wählen die Grünen, kämpfen gegen Atomkraft und für jedes Waffenembargo. Sie haben den Kriegsdienst verweigert, und nie würden sie einer Fliege etwas zuleide tun … Ahnen sie, wenn sie so durch die Straßen sausen, dass sie an tapfere kleine Soldaten erinnern, die die Schützengräben von Verdun nicht mehr abwarten können?

Ich brauche Ihnen wohl nicht auszumalen, wie Angela Merkels Pickelhaube auf die Pariser wirkte, die am Dienstag an den Zeitungskiosken vorbeikamen. Merde alors, die Boches sind wieder da! Und beim Loblied auf die preußischen Tugenden: Härte, Strenge, Disziplin, laufen den Südeuropäern Schauer über den Rücken.

Mein Vorschlag dazu: Wenn Sie, Frau Bundeskanzlerin, das nächste Mal nach Paris kommen, setzen Sie sich wie die Queen einen lächerlichen und durch und durch harmlosen Hut in Pastellfarben auf, hellblau zum Beispiel oder kanariengelb und dazu eine hübsche Pfauenfeder – anstelle der Pickelhaube Ihrer Vorfahren. So vermeiden Sie es, ganz Europa in Aufregung zu versetzen.

Und Ihr Berliner Radfahrer setzt eine Kreissäge auf, eine Baskenmütze oder eine Melone, einen Borsalino, Panamahut, Fedora, Sombrero, Zylinder und meinetwegen sogar einen Cowboyhut. Aber, ich flehe Euch an, verbannt diese ganzen Pickelhauben auf der Stelle in die hinterste Schrankecke!

- Die Autorin schreibt für das Magazin „Le Point“. Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke.

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