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Politik: „Meine Tätigkeit war kein Geheimnis“

Sigmar Gabriel (SPD) gibt zu: Als Politiker hätte ich den Beratervertrag nicht abschließen dürfen

Trifft der Vorwurf zu, dass Ihre Beratertätigkeit für VW mit 130 000 Euro fast um ein Drittel höher honoriert worden ist, als Sie bisher angegeben haben?

Ich habe nicht für VW gearbeitet, sondern war bis zum 30.9. Mitgesellschafter der Firma CoNes, die einen Vertrag mit VW hatte. Meine Angaben beziehen sich immer nur auf meine Zeit der Zugehörigkeit zu diesem Unternehmen, das übrigens auch andere Kunden hatte. Und in meiner Zeit betrug das Auftragsvolumen von VW an CoNes exakt 100100 Euro.

Warum haben Sie diese Tätigkeiten erst offen gelegt, als die Diskussion um Nebentätigkeit und VW bereits auf Hochtouren lief?

Ich bin immer dafür eingetreten, dass die Nebeneinkünfte von Politikern offen gelegt werden. Das tue ich auch, übrigens bis heute als Einziger im niedersächsischen Landtag. Was ich nie verlangt habe und was man ernsthaft in einer Privatwirtschaft auch nicht verlangen kann, ist die Offenlegung von Kundenbeziehungen. Wenn das verlangt wird, ist die Transparenzdebatte ganz schnell zu Ende. Kein Unternehmen, kein Anwalt, kein Wirtschaftsprüfer wird Kunden veröffentlichen, wenn er ein Abgeordnetenmandat besitzt. Zu privaten Vertragsbeziehungen gehört die ganz normale Stillschweigepflicht.

Durch Ihr Auftreten in Talkshows über die Nebeneinkünfte ist der Eindruck entstanden, Sie seien ein gläserner Abgeordneter.

Was meine Einkünfte angeht, bin ich das auch.

Können Sie verstehen, dass Anhänger der SPD von Ihnen enttäuscht sind?

Ich kann verstehen, dass viele jetzt alles in einen Topf tun. Aber noch einmal: Erstens fiel meine Firmenbeteiligung in eine Zeit, in der ich überlegt hatte, ganz aus der Politik auszusteigen und mir eine neue und eigene wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Als klar war, dass ich in der Politik bleibe, bin ich aus der Firma wieder ausgestiegen. Zweitens war es eine Firma mit mehreren Kunden und kein verdeckter Beratervertrag. Und drittens war meine Tätigkeit kein Geheimnis, ich habe das veröffentlicht und zwar, obwohl mein Landtagspräsident mir schriftlich mitteilen ließ, es bedürfe keiner Veröffentlichung.

Ist es richtig, wenn ein ehemaliger Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat eine Beratungstätigkeit übernimmt?

Die in Niedersachsen geltende Frist von sechs Monaten nach Ausscheiden aus dem Regierungsamt habe ich eingehalten. Und es muss doch möglich sein, dass Politiker, denen ja sonst der Vorwurf gemacht wird, dass sie beim Ausscheiden zulasten des Steuerzahlers Versorgungsansprüche haben, versuchen, sich mit ihren beruflichen Qualifikationen eine neue Existenz aufzubauen. Der Fehler und der Vorwurf, den ich mir machen muss, ist, dass ich damals zu lange überlegt habe, ob ich aus der Politik ausscheide oder nicht. Solange ich drin war, hätte ich diesen Vertrag nicht machen dürfen.

Das Gespräch führte Tissy Bruns.

Sigmar Gabriel (45) war von 1999 bis 2003 Regierungschef in Niedersachsen. Seit 1977 gehört er der SPD an. Seit 1990 sitzt er im Landtag, wo er seit 2003 die SPD-Fraktion führt.

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