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Politik: Meister der Abschreckung

Die EU sieht sich bei der Tabakregulierung weltweit führend – und verschärft die Vorschriften.

„Es geht darum, Zigaretten unattraktiver zu machen“, sagte John Dalli. Der Verbraucherkommissar aus Malta machte diese Feststellung auf einer Fachkonferenz für Warnhinweise auf Tabakverpackungen. Die Hinweise, die seit fast zehn Jahren in schwarzer Schrift auf weißem Grund Gesundheitsrisiken des Tabakkonsums aufführen, gehen auf eine EU-Richtlinie zurück. Dort ist detailliert geregelt, wovor gewarnt werden muss: etwa vor alternder Haut, Impotenz oder einem „langsamen und schmerzhaften Tod“.

Vor einer Woche hat die EU-Kommission 14 neue Formulierungen herausgegeben. Künftig wird vor Mundkrebs und Erblinden gewarnt oder davor, dass Kinder von Rauchern mit höherer Wahrscheinlichkeit selbst zu Rauchern werden. Binnen zwei Jahren müssen die neuen Texte ihren Weg auf die Verpackungen finden. Raucher, sagt Kommissar Dalli, sollen „genau wissen, was sie vom Tabak erwarten können“.

Europa hat den Kampf gegen das Rauchen vor mehr als zwanzig Jahren aufgenommen und sieht sich in der Tabakregulierung als weltweit führend. Dabei geht es nicht nur um Abschreckung. Es geht auch darum, gar nicht erst anzufangen. So ist Tabakwerbung EU-weit beschränkt. Rauchverbote hingegen sind Sache der Mitgliedstaaten. Dafür will Brüssel beim Aufhören helfen. Vergangenes Jahr hat die Kommission eine Kampagne mit dem Titel „Ehemalige Raucher sind nicht zu stoppen“ gestartet. Ein Online-Entwöhnungsprogramm und eine Internetseite richten sich insbesondere an die rund 28 Millionen europäischen Raucher im Alter zwischen 25 und 34 Jahren.

Am besten, hat 2009 eine EU-Studie gezeigt, lässt sich der Tabakkonsum über den Preis steuern. Auf Unionsebene wurden Untergrenzen für Tabaksteuern vereinbart. Rund siebzig Milliarden Euro nehmen die EU-Mitgliedstaaten mit solchen Steuern pro Jahr ein. Dennoch kann die Statistik keinen Gesundheitspolitiker zufriedenstellen. Zwar ist die Zahl der Raucher europaweit seit Jahrzehnten rückläufig, doch raucht immer noch jeder vierte Europäer täglich; in einigen Mitgliedstaaten raucht einer von drei Teenagern mindestens einmal wöchentlich. 13 Millionen Europäer leiden nach EU-Erhebungen an Krankheiten, die mit dem Tabakkonsum zusammenhängen.

Deshalb hat Gesundheitskommissar Dalli, auch auf Drängen des EU-Parlaments, eine Revision der Tabakproduktrichtlinie bis Jahresende angekündigt. Künftig sollen auch Geschmacksstoffe und Suchtverstärker sowie elektrische Zigaretten reguliert werden. Auch an den Warnhinweisen auf Verpackungen wird weiter gearbeitet. Die Kommission erwägt, abschreckende Bilder etwa von Raucherlungen vorzuschreiben. Zudem könnten Zigarettenautomaten und der grenzüberschreitende Versand von Tabakprodukten verboten werden.

Wegen der Preisunterschiede innerhalb der EU – eine Packung Zigaretten kostet zwischen 2,50 in den baltischen Ländern bis zu mehr als acht Euro in Norwegen – gibt es aber auch ein großes Schmuggelproblem. Nach einer Schätzung der europäischen Polizeibehörde Europol verlieren die EU-Staaten dadurch zwölf Milliarden Euro Steuern pro Jahr. Allein in Deutschland sind nach Informationen der Deutschen Welle im vergangenen Jahr 23,5 Milliarden unversteuerte Zigaretten geraucht worden. Das wäre ein Steuerverlust von 5,5 Milliarden Euro. mit Tsp

Jan Georg Plavec[Brüssel]

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