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Straßenprediger. Abu Hamza hat 2004 noch auf offener Straße vor seiner Moschee in London Hasspredigten gehalten. Jetzt darf er abgeschoben werden.

© AFP

Menschenrechte: Hassprediger darf abgeschoben werden

Der Straßburger Menschenrechtsgerichtshof erlaubt die Abschiebung eines Hasspredigers in die USA, das verletze nicht seine Menschenwürde, entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Eine folgenreiche Entscheidung.

Großbritannien darf den Hassprediger Abu Hamza und vier andere Extremisten nach der höchstinstanzlichen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) an die USA ausliefern. Auch wenn sie dort lebenslänglich in Einzelhaft eingesperrt werden, wahrscheinlich in dem ADX „Supermax“ Hochsicherheitsgefängnis in Florence, Colorado, sei ihre Menschenwürde nicht verletzt. Sechs Männer hatten in dem Verfahren argumentiert, eine Auslieferung laufe auf eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ hinaus. Den sechsten Fall wird der EGMR später entscheiden. Allerdings müsse der Ablauf der Berufungsfrist abgewartet werden.

Für die Briten ist es eine der folgenreichsten Entscheidungen des EGMR seit dem Anschlag auf das World Trade Center 2001. Die Regierung hofft, in Zukunft Terrorismusverdächtige leichter an die amerikanischen Verbündeten abschieben zu können. Premierminister David Cameron äußerte sich „sehr zufrieden“. Innenministerin Theresa May will alles tun, um die fünf so schnell wie möglich aus dem Land zu bekommen.

Wäre das Urteil anders ausgefallen, hätte der wegen seiner Hakenhand und seinem Glasauge berühmt gewordene Abu Hamza auf freien Fuß gesetzt werden müssen, so wie im Februar unter einem öffentlichen Aufschrei der Hasskleriker und Al-Qaida-Anwerber Abu Qatada. Großbritanniens Kooperation mit dem EGMR wäre erneut in Zweifel gezogen worden. Das EGMR hatte Abu Qatadas Auslieferung nach Jordanien untersagt, weil dort in einem Terrorismusprozess gegen ihn Beweise verwendet würden, die unter Folter erzwungen wurden.

Abu Hamza und Abu Qatada gehören zu einer Gruppe von Extremisten, die von Sicherheitskräften als aktive Terroristen eingestuft werden, denen aber nach dem britischen Rechtssystem kein Prozess gemacht werden kann, weil Geheimdienste ihre Beweise nicht prozesskundig machen. Einer der nun Auszuliefernden, Babar Ahmed, Betreiber der notorischen Terrorismus-Website „Azzam.com“, befindet sich bereits seit sieben Jahren ohne Prozess in Sicherheitsverwahrung. Abu Hamza wurde weltberüchtigt durch seine Hasspredigten, in denen er auch nach seiner Suspension als Kleriker bis 2004 ungehindert auf der Straße vor seiner Londoner Moschee zum bewaffneten Dschihad aufrief. Er soll vor 2001 bereits bei der Ausbildung von Al-Qaida-Terroristen beteiligt gewesen sein.

Konflikte zwischen Sicherheitsinteressen und Rechtstaatlichkeit belasten britische Regierungen seit 2001. Jahrelang gab es Rechtsstreitigkeiten um die gesetzlichen Grundlagen für die Sicherheitsverwahrung ohne Prozess. Im Augenblick gibt es einen Koalitionsstreit um die Einführung von Geheimprozessen, in denen Sicherheitsdienste hinter geschlossenen Türen ihre Beweise vorlegen könnten. Erkenntnisse, die durch geheime Überwachung gewonnen werden, sind in Großbritannien als Beweismittel nicht zugelassen.

Frankreichs Präsident Nicholas Sarkozy beeindruckte vor Ostern die britische Presse, als er eine Gruppe extremistischer Prediger kurzerhand ins Flugzeug setzen und deportieren ließ, ohne ihren Rechtseinspruch abzuwarten. Viele Briten fordern, Großbritannien solle wie Frankreich und Italien Urteile des EMGR ignorieren und Abu Qatada abschieben. Der Jordanier lebt seit Jahrzehnten mit seiner Familie von Sozialhilfe; auch sein Sohn ist Extremist. Seit der vom EMGR angeordneten Freilassung wird er rund um die Uhr überwacht. Die Kosten, einschließlich der Übersetzer für die abgehörten Telefongespräche, belaufen sich auf fünf Millionen Pfund (6,06 Millionen Euro) im Jahr.

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