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Politik: Menschenrechte: Weltweit mehr Flüchtlinge

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat eine europäische Regelung der Zuwanderung gefordert. "Dabei darf es aber nicht darum gehen, das Grundrecht auf Asyl aufzuheben", sagte Thierse bei der Vorstellung des Berichts des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) am Montag in Berlin.

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat eine europäische Regelung der Zuwanderung gefordert. "Dabei darf es aber nicht darum gehen, das Grundrecht auf Asyl aufzuheben", sagte Thierse bei der Vorstellung des Berichts des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) am Montag in Berlin. Grundlage bleibe weiterhin die Genfer Flüchtlingskonvention.

Die Hohe Flüchtlingskommissarin der Vereinten Nationen, Sadako Ogata, sprach sich ebenfalls für die Beibehaltung des Asylrechts aus: "Die Institution des Asyls ist das wichtigste Instrument des Flüchtlingsschutzes, das der internationalen Gemeinschaft zur Verfügung steht." In seinem Bericht "Zur Lage der Flüchtlinge in der Welt" kritisiert das UNHCR, dass in den neunziger Jahren in der Asylpolitik der westeuropäischen Länder eine "vorher nicht gekannte Abwehrhaltung" zum Ausdruck gekommen sei. Asylgesetzänderungen hätten darauf abgezielt, unkontrollierte Zuwanderung zu verhindern. Doch gerade jene Flüchtlinge, die Schutz vor Verfolgung suchen, seien mit diesen Maßnahmen getroffen worden, kritisierte Ogata. "Das hat dazu geführt, sowohl Migranten als auch Asylsuchende in die Hände von Menschenschmugglern und Schleusern zu treiben." Asylsuchende würden daher in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend als Kriminelle betrachtet.

Die Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen wandte sich auch gegen Forderungen nach der Abschaffung der Genfer Konvention von 1951. Diese werde allerdings sehr unterschiedlich interpretiert, sagte Ogata. In Konsultationen mit den Regierungen soll die Konvention daher bestätigt und den veränderten Gegebenheiten angepasst werden.

Mit seinem Bericht blickt das UNHCR auf 50 Jahre humanitäre Arbeit zurück. Im Dezember 1950 rief die UN-Vollversammlung die Organisation ins Leben. Doch einen Grund zum Feiern sieht Ogata, die Ende des Jahres aus dem Amt scheidet, keineswegs. Denn die Zahl der Flüchtlinge stieg in dieser Zeit immer weiter an, und ein Ende des weltweiten Problems Flucht ist nicht abzusehen. Für 1999 hat das UNHCR in seiner Statistik mehr als 22 Millionen Flüchtlinge erfasst - die tatsächliche Zahl liegt vermutlich noch höher. Allein im vergangenen Jahr mussten mehr als eine Million Menschen aus ihrer Heimat fliehen, aus dem Kosovo, aus Osttimor und Tschetschenien.

Der Bericht liefert eine Chronik der großen Krisen und Konflikte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, vom Ungarnaufstand 1956 über den algerischen Unabhängigkeitskrieg oder Vietnam und Afghanistan bis zu Chile unter Pinochet. Erst in den neunziger Jahren rückte das Flüchtlingsproblem verstärkt ins Bewusstsein von Regierungen und Öffentlichkeit: mit den Fernsehbildern aus dem Tschetschenien-Krieg, von Flüchtlingstrecks im Kosovo, von Kurden im Nordirak und vom Völkermord in Ruanda.

Der UNHCR-Bericht fragt gleichzeitig danach, was die internationale Gemeinschaft in diesen Konfliktsituationen zugunsten der Flüchtlinge getan hat. Am Beispiel des Kosovo macht die Organisation auch auf die Grenzen humanitären Handelns im Krieg aufmerksam.

Zahl der Binnenvertriebenen steigt

Neben der Frage des Flüchtlingsschutzes in militärischen Konflikten steht die Organisation noch vor weiteren großen Herausforderungen: In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der so genannten Binnenvertriebenen, der Flüchtlinge im eigenen Land. Ihre Zahl wird weltweit auf 20 bis 25 Millionen geschätzt. Bisher kümmert sich das UNHCR nach eigenen Angaben um etwa 6,5 Millionen dieser Flüchtlinge.

Zudem sieht sich die Organisation mit einem Finanzproblem konfrontiert. Ogata kritisierte die rückläufige Unterstützung aus Europa und appellierte an die Bundesregierung, einen höheren finanziellen Beitrag zu leisten. Bedingt durch die Kosten der deutschen Einheit sei der deutsche Beitrag von mehr als 30 Millionen US-Dollar vor zehn Jahren auf 15 Millionen Dollar in diesem Jahr gesunken. Das größte Geberland sind die USA, aber auch Japan und die nordeuropäischen Länder zahlen hohe Summen für den Flüchtlingsschutz. Ogata begrüßte aber, dass Deutschland die meisten Flüchtlinge in Europa aufgenommen hat, darunter allein 350 000 Bosnien-Flüchtlinge.

Immer wichtiger wird für das UNHCR die Prävention von Konflikten. Für ein neuartiges System humanitärer Hilfe in einem frühen Stadium möchte Ogata auch die Bundesregierung gewinnen. Bundestagspräsident Thierse kritisierte indes, dass die Einwanderungsländer derzeit in ihrer Sicht auf die eigenen Probleme verharren: "Wir tragen nationale Scheuklappen."

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