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Politik: Merkel-Alarm in Ankara

Türkei sorgt sich um wichtigsten EU-Partner / Schäuble: Beitrittsverhandlungen starten termingemäß

Die Türkei bangt nach dem politischen Erdbeben in Deutschland um ihren wichtigsten Partner in der EU: die rot-grüne Bundesregierung in Berlin. „Merkel-Alarm“ überschrieb die Zeitung „Türkiye“ am Dienstag ihren Bericht über die bevorstehenden Neuwahlen in der Bundesrepublik. Schließlich könnte sich Deutschland nach einem Machtwechsel sehr schnell vom treuesten Unterstützer der Türkei zum erbitterten Gegner einer türkischen EU-Mitgliedschaft wandeln. Die Istanbuler Börse reagierte mit einem Kurssturz um fünf Prozent auf die Neuwahl-Nachricht. Regierungschef Recep Tayyip Erdogan gab völlig überraschend bekannt, dass Finanzminister Ali Babacan der türkische Verhandlungsführer bei den EU-Beitrittsverhandlungen sein soll.

Es gebe kein Land auf der Welt, auf das Regierungswechsel in Deutschland solch dramatische Auswirkungen hätten, sagte ein westlicher Diplomat in Ankara. Deshalb hätten die Türken „allen Grund zur Sorge“. Dass die Neuwahlen in Deutschland noch vor dem Beginn der türkischen EU-Beitrittsverhandlungen am 3. Oktober stattfinden sollen, lässt viele in der Türkei befürchten, dass eine schwarz-gelbe Bundesregierung die Verhandlungen noch verhindern könnte.

Das aber schloss der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble im Gespräch mit dem Tagesspiegel aus. Parteichefin Angela Merkel habe im vergangenen Jahr bei ihrem Türkei-Besuch Ministerpräsident Erdogan zugesagt, dass im Falle eines Regierungswechsels in Deutschland der Satz gelte: „Pacta sunt servanda“ – jede künftige von der Union geführte Regierung wird die Entscheidung, die eine frühere Bundesregierung für Deutschland getroffen hat, respektieren. Der Europäische Rat habe Ende 2004 die Aufnahme von ergebnisoffenen Beitrittsverhandlungen zum 3. Oktober beschlossen. „Diese Entscheidung steht nicht zur Disposition“, sagte Schäuble.

Eine von der Union geführte Bundesregierung werde sich an diesen Verhandlungen beteiligen und „sehr kritisch darauf achten, dass nicht über die Probleme hinweggesehen wird“. Zugleich betonte Schäuble: „Wir bleiben dabei: Aus unserer Sicht ist die privilegierte Partnerschaft die bessere Lösung, aber das ist das Ergebnis von Verhandlungen und nicht die Blockade für deren Beginn.“ Im Wahlkampf werde das Thema Türkei schon deshalb eine Rolle spielen, „weil es viele Menschen beschäftigt“. Aber es werde „kein zentrales Wahlkampfthema sein“. Zumal aktuell keine Entscheidung anstehe. Die Verhandlungen mit der Türke würden zunächst „viele Jahre in Anspruch nehmen“. Schäuble sieht die Union geschlossen hinter der Türkei-Politik der CDU-Führung stehen. Volker Rühe, der am Montag seinen Rückzug aus dem Bundestag angekündigt hatte, sei der Einzige gewesen, der gegen den entsprechenden Fraktionsantrag gestimmt habe.

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