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Nicht die Lösung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag bei einer Regierungserklärung vor dem G-20-Gipfel im Bundestag.

© dapd

Merkel auf Mehrheitssuche: Fahrplan zum Fiskalpakt steht fest

Deutschland ist stark, so die Botschaft der Kanzlerin im Bundestag – aber auch seine Kräfte sind nicht unendlich. Sie wirbt für ihre EU-Politik. Merkel wird aber nicht nur die Opposition im Bundestag überzeugen müssen.

Von Robert Birnbaum

Es gibt im Bundestag Debatten, die müssen eben sein. Eine Regierungserklärung der Kanzlerin vor einem Treffen der G-20-Gruppe der wichtigsten Wirtschaftsnationen ist so ein Pflichttermin. Das Parlament ist denn Donnerstagfrüh auch nur mäßig besetzt und noch mäßiger interessiert. Angela Merkel dürfte das egal sein. Die meisten Adressaten ihrer Rede sitzen sowieso nicht im Reichstag, sondern in der ganzen Welt und speziell in Washington und Paris. Es sind solche, die von Deutschland in der Euro-Krise „den Paukenschlag und die Lösung erwarten, die Deutschland von Euro-Bonds, Stabilitätsfonds, europäischen Einlagensicherungsfonds, noch mehr Milliarden und viel mehr überzeugen wollen“.

Nicht mit mir, lautet die Botschaft der deutschen Regierungschefin. Deutschland sei stark, ja, Deutschland sei Wirtschaftsmotor Europas, auch richtig, aber: „Auch Deutschlands Kräfte sind nicht unendlich.“ Würden die überfordert, warnt Merkel, würden alle Rettungsbemühungen für den Euro schlagartig zusammenbrechen. Und deshalb helfe auch keine der „scheinbar einfachen Vergemeinschaftungen“ der Staatsschulden, sondern nur ein Weg, der wieder Vertrauen in Europas Selbstdisziplin erzeuge.

Letzteres war erkennbar auch in Richtung SPD und Grüne gesprochen und mit Blick auf die innerdeutschen Gespräche über den Fiskalpakt. Für die gibt es jetzt einen Fahrplan, den Merkel nach der Debatte mit den Spitzen der Opposition vereinbarte: Am 29. Juni soll der Bundestag den Fiskalpakt und den Euro-Rettungsschirm ESM billigen – Sitzungsbeginn 17 Uhr, direkt nach dem Europa-Gipfel in Brüssel. Der Termin steht unter dem Vorbehalt, dass sich Schwarz-Gelb mit der Opposition auf Bedingungen verständigt, von denen SPD und Grüne es abhängig machen, dass sie dem Fiskalpakt zur nötigen Zweidrittelmehrheit verhelfen. Die Einigung sollen die Experten am 21. Juni vorbereiten und die Partei- und Fraktionschefs zwei Tage später absegnen.

Video: Merkels Regierungserklärung

Formal war es insofern etwas voreilig, dass Nachrichtenagenturen die Verständigung auf den 29. als Eilmeldung verbreiteten. Andererseits – und das dürfte SPD und Grünen klar gewesen sein, als sie sich darauf einließen – geht natürlich von solch einem Zeitplan ein ganz eigener Druck aus.

Vom Lauf der Welt noch ganz zu schweigen: Wenn Griechenland am Sonntag gewählt hat, könnten sich dem vereinten Europa und der deutschen Politik sehr bald Fragen stellen, die das Parteien-Taktieren um die Lufthoheit über dem Euro-Rettungskurs endgültig zum Sandkastenspiel degradieren würden. Der slowakische Regierungschef Robert Fico kündigt jetzt schon an, dass sein Land den Austritt Griechenlands aus dem Euro verlangen werde, sobald die Griechen den Auflagen in den Rettungsprogrammen nicht mehr nachkämen.

Voraussichtlich ebenfalls am 29. Juni soll der Fiskalpakt nach dem Bundestag auch den Bundesrat passieren, wo er ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit benötigt. Das Länder-Ja wird die Bundesregierung absehbar etwas kosten. Unabhängig vom Parteibuch, das machten die Länderchefs nach einem Vorbereitungsgespräch vor ihrem Treffen mit Merkel am Donnerstag klar, wollen die Länder einen Ausgleich für zusätzliche Belastungen, die der Fiskalpakt ihnen auferlegt. Die europäische Schuldenbremse hat nämlich für die deutschen Bundesländer den Nebeneffekt, dass sie ihre eigenen Schuldenbremse-Ziele zum Teil deutlich früher einhalten müssen als bisher geplant.

Als Ausgleich könnten sich die Länder nach Aussagen des Magdeburger Regierungschefs Rainer Haseloff (CDU) eine Entlastung bei den Hilfen für Behinderte vorstellen, aber auch einen Altschuldenfonds für die Kommunen, an dem sich der Bund maßgeblich beteiligt. Die Länder bringen aber auch ihre alte Lieblingsidee von „Deutschlandbonds“ wieder ins Spiel: gemeinsamen Anleihen von Bund und Ländern, bei denen die Länder von den extrem günstigen Zinsbedingungen des Bundes mitprofitieren könnten.

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