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Politik: Merkel: Deutschland ist Land der Freiheit

Kanzlerin erwartet Aufklärung der NSA-Affäre – der NSA-Chef findet, die Deutschen wüssten nun Bescheid.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Auch sechs Wochen nach Bekanntwerden des US-Spähprogramms Prism hat die Bundesregierung noch keine konkreten Hinweise über Umfang und Dauer der amerikanischen Datenabschöpfung. Das gab Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag bei ihrem alljährlichen Besuch der Bundespressekonferenz zu. Gleichzeitig kündigte Merkel an, auf Aufklärung zu drängen und mehr für die Sicherheit im Internet zu tun.

Im niedersächsischen Cloppenburg stellten die Jusos, die Jugendorganisation der SPD, Freitag Strafanzeige wegen Landesverrats gegen Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU), den Präsidenten des Bundesnachrichtendiensts, Gerhard Schindler, und den Direktor des US-Geheimdiensts NSA, Keith Brian Alexander. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg prüft nun ein Ermittlungsverfahren.

„Mir ist es völlig unmöglich, hier eine Analyse von Prism vorzunehmen“, sagte Merkel in Berlin. Die Bundesregierung bemühe sich auf verschiedenen Ebenen um Aufklärung und habe einen umfangreichen Fragenkatalog an die US-Regierung gesandt. „Aber es liegt eben auch nicht ganz alleine in meiner Hand“, sagte Merkel. Die Regierungschefin rief die Amerikaner allerdings auf, die Vorwürfe gegen den Geheimdienst NSA zu klären und auf deutschem Boden deutsches Recht einzuhalten: „Deutschland ist kein Überwachungsstaat“, betonte sie.

NSA-Chef Alexander reagierte derweil kühl auf das Erstaunen der deutschen Öffentlichkeit über das Ausmaß der Ausspähung. „Wir sagen ihnen nicht alles, was wir machen oder wie wir es machen – aber jetzt wissen sie es“, sagte Alexander auf einem Sicherheitsforum im US-Bundesstaat Colorado. Die Deutschen wüssten aber auch, dass die US-Programme von gerichtlichen Verfahren reguliert würden – „vermutlich rigoroser als alle anderen Programme in der Welt“.

Merkel betonte, beim Kampf gegen den Terror seien nicht alle technischen Möglichkeiten erlaubt: „Der Zweck heiligt nicht die Mittel.“ Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müsse beachtet werden. „Deutschland ist ein Land der Freiheit.“ Sie versprach, alles daranzusetzen, dass „auf deutschem Boden deutsche Gesetze“ eingehalten werden. Sie selbst habe ein „hundertprozentiges Interesse“ daran, dass „die Dinge aufgeklärt werden“.

Die Opposition kritisierte Merkel scharf. „Das war ein Auftritt von erschreckender Ahnungs- und Hilflosigkeit“, sagte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück „Spiegel online“. Merkels Ankündigungen seien nichts als „Nebelkerzen“, sagte Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck. Linken-Chefin Katja Kipping sagte, Merkel mache Deutschland „zum Bittsteller gegenüber den USA“.

Nach der US-Ausspähaffäre sollen nun US-Internetkonzerne melden müssen, wenn sie Daten von EU-Bürgern an Behörden weitergeben. Verstoßen Google, Facebook & Co. gegen EU-Prinzipien, drohen ihnen Geldbußen. Die EU-Justizminister verständigten sich am Freitag im litauischen Vilnius im Grundsatz auf diese Reformen von Europas Datenschutzregeln. Die lange umstrittene Reform soll im nächsten Jahr beschlossen sein, auch das EU-Parlament muss zustimmen. mit dpa

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