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Stephen Harper.

© AFP

Merkel in Kanada: Mr. Harper ist nicht mehr so nett

Die Bundeskanzlerin trifft bei ihrem offiziellen Besuch auf einen eigenwilligen Partner. Der kanadische Premier führt ein selbstbewusstes Land und fordert von der Eurozone eine schnellere Lösung der Krise.

Ottawa - An freundlichen Willkommensgrüßen für Angela Merkel fehlt es nicht. Deutschland sei „ein wichtiger Freund Kanadas, ein geschätzter Alliierter und Partner“, erklärt Kanadas Premierminister Stephen Harper, der die Kanzlerin in dieser Woche in Ottawa empfängt. Aber beim Austausch von Nettigkeiten dürfte es nicht bleiben. In Harper trifft Merkel auf einen scharfen Kritiker des europäischen Krisenmanagements. Das Bild, das Harper von Kanada hat und das er verbreiten möchte, ist zudem nicht mehr nur das eines netten, freundlichen Partners, sondern das eines erfolgreichen und, wenn es sein muss, auch konfliktbereiten Akteurs auf der Weltbühne.

Merkel kommt erstmals zu einem offiziellen Besuch nach Kanada. Wurden die Beziehungen einst als gut, aber langweilig beschrieben, so sind sie jetzt alles andere als langweilig. Sie seien „gut, mit dem Potenzial, weiter ausgebaut zu werden, und dazu soll der Besuch beitragen“, verlautet von deutscher Seite. Der Energie- und Rohstoffreichtum, das wachsende Interesse der Weltgemeinschaft an der Arktis und das solide Finanz- und Bankenwesen lassen Kanada vor Selbstbewusstsein strotzen. Es geht seinen eigenen Weg, ausgerichtet an seinen Interessen, wie Premierminister Harper sie definiert. Dass er dabei seine Partner in Europa wie etwa beim Ausstieg aus dem Kyoto-Protokoll vor den Kopf stößt, ficht ihn nicht an.

In den vergangenen Monaten hatte Harper mit zunehmender Ungeduld einschneidende und schnelle Maßnahmen der Europäer gegen die Schuldenkrise angemahnt und sein Land immer wieder als Vorbild hingestellt. Als schulmeisterlich oder gar anmaßend empfanden viele in diplomatischen Kreisen in Ottawa Harpers Auftreten. Zugleich lehnte der Premierminister kanadische Beiträge für eine Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) für Europa kategorisch ab. Deutschlands Botschafter gab daraufhin der Tageszeitung „Globe and Mail“ ein bemerkenswertes Interview, in dem er es als „in der Tat etwas irritierend und etwas enttäuschend“ bezeichnete, „dass sich Kanada so entschieden weigert zu helfen“. Die Probleme der Euro-Zone könnten auch negative Auswirkungen für Kanada haben, daher sei Solidarität erforderlich, betonte Botschafter Georg Witschel.

Merkel wird am Mittwochabend mit Harper auf dessen Feriensitz in der Nähe von Ottawa dinieren. Der Premier sagte, er nehme an, von Merkel auf den aktuellen Stand der Diskussionen in Europa gebracht zu werden. Erwartet wird auch, dass Merkel Kanada um abgestimmtes Vorgehen auf internationaler Bühne und den Verzicht auf Alleingänge bitten wird. Im Juni erregten von kanadischer Regierungsseite dementierte Berichte Aufsehen, dass Kanada einen Rückzug aus der OSZE erwäge.

Video: Merkel in Kanada - Kritische Freunde

Weitere Gespräche folgen am Donnerstag. Dabei geht es auch um verstärkte wirtschaftliche Beziehungen. Die EU und Kanada befinden sich in der Endphase der Verhandlungen für ein umfassendes Freihandelsabkommen. Die noch offenen Fragen werden aber nicht von Merkel und Harper, sondern von den Delegationen der EU und Kanadas verhandelt, wobei am Ende dann aber doch Entscheidungen der Politiker notwendig sein könnten. Deutschland weiß um Kanadas Stärke im Energiesektor, etwa bei Ölsandvorkommen, deren Abbau die Harper-Regierung vehement fördert und durchsetzen will. Deutschland kann hier seine Umwelttechnologie anbieten.

Auf dem Rückflug macht die Kanzlerin einen Stopp in Halifax, wo sie am Institut für Meeresforschung der Dalhousie-Universität mit Studenten und Wissenschaftlern sprechen soll. Beide Länder arbeiten bei der Forschung in der Arktis und bei der Erkundung des Meeresbodens eng zusammen.

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