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Merkel in Polen: Kontroverse um Vertriebenenzentrum

Die CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidatin Angela Merkel ist zu Beginn ihres eintägigen Besuches in Polen mit dem polnischen Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski zusammengetroffen.

Warschau (16.08.2005, 11:49) - Im Mittelpunkt der Gespräche standen europäische und deutsch-polnische Fragen. Als strittiges Thema gilt das «Zentrum gegen Vertreibungen», dessen Bau der Bund der Vertriebenen (BdV) in Berlin anstrebt.

Unmittelbar vor Merkels Polen-Besuch hatte der europapolitische Sprecher der Union, Peter Hintze, die Unterstützung der CDU/CSU für das Zentrum bekräftigt. Kwasniewski dagegen betonte am Dienstag im polnischen Rundfunk, in der derzeit geplanten Form sei ein «Zentrum gegen Vertreibungen» für Polen unannehmbar. Polen und andere mitteleuropäische Staaten befürchten, das Projekt könne zu einer Umdeutung von Geschichte führen, die die Wahrheit der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs verfälsche.

Das Erzbistum Berlin hat sich von Verbands-Plänen distanziert, das umstrittene «Zentrum gegen Vertreibungen» in einer katholischen Kirche der Hauptstadt unterzubringen. Erzbischof Kardinal Georg Sterzinsky sagte am Montag: «Solange nicht hinreichend klar ist, was mit dem "Zentrum gegen Vertreibungen" gemeint ist, und solange über ein solches Zentrum kein gesellschaftlicher Konsens besteht, können wir den Plänen des Bundes der Vertriebenen (BdV), das Zentrum in einer Kirche anzusiedeln, nicht zustimmen.» Die BdV- Vorsitzende Erika Steinbach hält trotz des Einspruchs an ihrem Vorhaben fest und hofft auf ein Einlenken des Kardinals.

«Der Gemeindevorstand hat schon zwei Mal den Beschluss gefasst, dass er den Vertrag mit uns abschließen will», sagte Steinbach der dpa in Berlin. Die Gedenkstätte soll in der St. Michaelkirche, der zweitältesten, aber sanierungsbedürftigen katholischen Kirche Berlins im Stadtteil Mitte, untergebracht werden. Nach Worten Steinbachs sind die Pläne weitgehend ausgearbeitet. Allerdings müsse die Diözese dies noch absegnen, räumte die CDU-Bundestagsabgeordnete ein. Die Wahl einer Kirche begründete Steinbach mit dem Versöhnungsgedanken. «Dies wäre für alle Beteiligten eine hervorragende Lösung.» An geeigneten Liegenschaften mangele es aber in Berlin nicht. Die katholische Kirche Berlins muss sich wegen ihrer Finanzprobleme von Immobilien trennen.

Gegen das geplante «Zentrum gegen Vertreibungen» gibt es vor allem in Osteuropa Widerstand. Auch die Bundesregierung ist dagegen, während die Union ihre Unterstützung zugesagt hat. In Polen und Tschechien weckt das Vorhaben den Verdacht, die Vertriebenen wollten die Geschichte umschreiben.

Der SPD-Außenpolitiker Markus Meckel forderte Unions- Kanzlerkandidatin Angela Merkel auf, sich bei ihrem Warschau-Besuch von den Aktivitäten der «Vertriebenenlobby» in der CDU/CSU zu distanzieren. Das von Merkel unterstützte Zentrum belastete das deutsch-polnische Verhältnis.

Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Fritz Kuhn, sieht durch das Vertriebenen-Projekt die Versöhnungspolitik gefährdet. Die Grünen unterstützten deshalb ein europäisches Netzwerk der Erinnerung. Auch die FDP sprach sich gegen das Vorhaben aus. «Wir halten davon überhaupt nichts», sagte ihr Außenexperte Werner Hoyer dem Berliner «Tagesspiegel» (Dienstag). Durch ein solches Vorhaben könne das «überaus sensible» deutsch-polnische Verhältnis Schaden nehmen.

Bistumssprecher Stefan Förner sagte zu der Auseinandersetzung, das Erzbistum hoffe, dass es bei dem Zentrum einen Konsensprozess ähnlich dem beim Holocaust-Mahnmal gebe. Erst dann könne entschieden werden, ob das Zentrum in einer Kirche untergebracht werde. «Vertreibung ist eine historische Tatsache, an die erinnert werden muss, aber man darf das nicht konfrontativ tun.» (tso)

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