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Politik: „Merkel ist mutig“

Heiner Geißler, Ex-Generalsekretär der CDU, über sein Engagement für Attac und den G-8-Gipfel

Herr Geißler, Sie begründen Ihren Eintritt bei Attac mit deren Eintreten für das Recht auf gewaltfreie Demonstration. Teilen Sie auch die anderen Ziele von Attac?

Ja. Attac will die Globalisierung ja nicht rückgängig machen, sondern sie humanisieren und zivilisieren. Das ist die wichtigste Aufgabe, die sich den Demokratien heute stellt. Und das geht nun einmal nicht ohne Protest. Deswegen unterstütze ich Attac ideell.

Ideell heißt: Am Zaun von Heiligendamm werden Sie nicht stehen?

Richtig.

Sie sind nicht der Einzige, der Sympathien für Globalisierungskritik hat. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, hat sich ähnlich geäußert. Sind die Truppen des viel kritisierten Turbokapitalismus schon in Auflösung?

So weit sind wir leider noch nicht. Aber immer mehr unabhängige und intelligente Köpfe, auch unter den Ökonomen, erkennen, das die westlichen Demokratien und China ihre Wirtschaftspolitik ändern müssen, wenn ein globales ökologisches und soziales Desaster vermieden werden soll. Die USA und China müssen sich endlich – auch im Interesse der jungen Generation - am globalen Klimaschutz beteiligen und die Europäer ihre unverantwortlichen Agrarsubventionen beenden, durch die Millionen Afrikaner ihre wirtschaftliche Existenz verlieren. Das jetzige Weltwirtschafts- und Finanzsystem, in dem die Spekulationsgewinne die reale ökonomische Wertschöpfung weit übersteigen, muss ersetzt werden durch eine internationale sozialökologische Marktwirtschaft mit einem Global-Marshallplan, einer internationalen Börsenumsatzsteuer und einer Demokratisierung der Weltbank, des IWF und der WTO.

Aus der CDU treten sie aber nicht aus?

Wie kommen Sie denn darauf?

Man hat in Deutschland auch schon Parteivorsitzende großer Parteien austreten sehen, warum nicht auch ein früherer Generalsekretär?

Was ich sage, entspricht den Grundsätzen der Christlich-Demokratischen Union, die die Mutter der sozialen Marktwirtschaft ist. Ich bin ja Mitglied der CDU wegen ihrer Grundsätze und nicht wegen der temporären Zusammensetzung des Bundesvorstandes oder der Inhalte eines Wahlprogramms. Im Übrigen sind die Ziele der Kanzlerin, die sie auf dem Gipfel erreichen will, nämlich die Verbesserung des Klimaschutzes und der Kontrolle der Finanzinvestoren, völlig richtig. Sie war schon immer die mutigste Parteivorsitzende der CDU. Und in diesen Punkten liegt sie sogar richtig.

Sie haben lange in der ersten Reihe Politik gemacht. Hat sich etwas verändert im Umgang der Politik mit Protest?

Ganz sicher, und zum Teil ist das auch verständlich nach dem 11. September 2001. Man muss Terrorismus natürlich auch mit der Polizei bekämpfen. Man muss aber auch aufpassen, dass der Rechtsstaat nicht in einen Überwachungsstaat umkippt. Die Hausdurchsuchungen waren nach meiner Auffassung unverhältnismäßig. Das Demonstrationsrecht darf nicht ausgehöhlt werden. Spätestens seit der Fußball-Weltmeisterschaft haben wir auch ein positives Image zu verlieren.

Mit Geißler sprach Andrea Dernbach.

Heiner Geißler (77) brachte als Generalsekretär 1977 bis 1989 die Modernisierung der CDU voran. Er ist seit Jahren einer der schärfsten deutschen Kritiker sozial blinder Wirtschaftsordnung.

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