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Wie geht's weiter in Hessen und Berlin? Ab Sonntagabend erhalten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) eine Antwort.

© Reuters/Ralph Orlowski

Merkel, SPD, Groko: Welche Folgen kann die Hessen-Wahl haben?

Der Ausgang der Landtagswahl in Hessen ist so unberechenbar wie selten. Vieles scheint möglich, sogar das Ende der großen Koalition in Berlin.

Von
  • Hans Monath
  • Robert Birnbaum

Angela Merkel mag die Hessen-Wahl nicht als „kleine Bundestagswahl“ verstanden wissen, Andrea Nahles nicht als ihre „Schicksalswahl“. Das ist verständlich. Ob es auch realistisch ist, kann man bezweifeln. Für die beiden Vorsitzenden der Zentralparteien der großen Koalition in Berlin kommt der Urnengang am Sonntag zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Mit Flüchtlingskrawall, Dilettantismus in der Maaßen-Affäre und Diesel-Gewurstel hat sich ihre Regierung selbst disqualifiziert; dass CDU wie SPD bei der Landtagswahl mit Einbrüchen rechnen müssen, ist so offenkundig der Bundespolitik geschuldet, dass es gar nicht erst jemand zu leugnen versucht.

Entsprechend groß ist die Unsicherheit, wie viel Dynamik der Wahlabend in Wiesbaden in Gang setzt. Er könnte Merkel wie Nahles aus den Ämtern fegen und die Regierung in Berlin sprengen. Vorstellbar ist freilich auch, dass sich ein alter Erfahrungssatz bestätigt: Revolutionen, die vorab lang und breit beschworen werden, fallen hinterher meist aus.

Annegret Kramp-Karrenbauer kennt den Satz. Die Lage sei in allen Regierungsparteien nervös und angespannt, niemand könne mit Gewissheit die Folgen abschätzen, verkündete die CDU-Generalsekretärin gerade und brachte für den Fall der Fälle sogar Neuwahlen ins Spiel. Dass sie die herbeiwünscht, darf man ausschließen; CDU, SPD und CSU müssten gleich mit der nächsten Klatsche rechnen. Das Schreckensszenario auszumalen, kann also nur den paradoxen Zweck verfolgen, sein Eintreten zu verhindern.

Doch das funktioniert nur, wenn das Wahlergebnis der Noch-Volksparteien nicht noch desaströser gerät als ihre Umfragewerte. Wenige Prozentpunkte machen den Unterschied. Die CSU hat es in Bayern vorgemacht: Nach 33 Umfrage-Prozenten fühlten sich ihre 37,2 Prozent fast wie ein Sieg an. Erzielt auch die CDU in Hessen ein paar Punkte mehr als ihre 26 Umfrageprozente, bleibt die SPD über der 20-Prozent-Grenze, fallen Debatten danach vermutlich milder aus.

Kommt es anders, kann es rasch heftig werden. Die CDU-Chefin hat klargemacht, dass sie beim Parteitag Anfang Dezember um ihre Wiederwahl kämpfen wird. Ob das nach der Wahl noch gilt, weiß sie vielleicht selber nicht. Die CDU-Spitze trifft sich in einer Woche zur Klausur, um einen Leitantrag zur Sozialen Marktwirtschaft zu beraten – eine Gelegenheit für Personalbeschlüsse.

Merkels unionsinterne Kritiker sind nach dem CSU-Fiasko verstummt

Öffentlich würde die Debatte sofort losgehen. Merkels unionsinterne Kritiker sind nach dem CSU-Fiasko verstummt. Nach einem Fiasko in Hessen würden sie sich doppelt lautstark zurückmelden. Allerdings folgte selbst aus einem Aufschrei noch kein Aufstand. Denn jedem in der CDU-Spitze ist klar, dass das Ende der Parteivorsitzenden Merkel auch das Ende der Kanzlerin bedeuten würde.

Formal kann der Regierungschefin zwar niemand etwas. Selbst bei einem Ausstieg der SPD aus der Koalition bliebe sie als Kanzlerin einer Minderheitsregierung im Amt, solange kein Gegenkandidat die Kanzlermehrheit erreicht oder sie selbst ein Vertrauensvotum gezielt verliert. Doch Merkel hat zwischen Regierungs- und Parteiamt immer eine so enge Verbindung gezogen, dass Neuwahlen allenfalls eine Frage der Zeit wären.

Noch einmal deutlich heikler als in der machtpragmatischen Regierungspartei CDU ist die Lage in der SPD. Immer mehr Genossen haben nach dem Dauergezänk in der Regierung die Nase voll von der großen Koalition. Denn jeder Streit mit Horst Seehofer macht alle sozialdemokratischen Erfolge vergessen, sei es die verschärfte Mietpreisbremse oder Milliardensummen für den Ausbau der Kita-Qualität.

Der Absturz bei der Bayern-Wahl steigerte die Abneigung gegen ein „Weiter- so“ noch einmal, doch mit Blick auf Hessen verordnete die Führung der Partei kommunikative Disziplin. Trotzdem gibt es nun schon Rufe nach einem Sonderparteitag für den Fall von Verlusten in Hessen oder nach einer Mitgliederbefragung über die Fortsetzung der großen Koalition. Prompt bat Nahles um ein paar Wochen Zeit nach der Hessen- Wahl, um zu klären, ob ein Weiterregieren mit der Union möglich sei. Ob die Partei ihr diese Zeit gewährt, hängt vom Ergebnis am Sonntag ab.

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