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Kanzlerin Angela Merkel besuchte am Freitag den Deutschen Mietertag.

© AFP/Ina Fassbender

Schweigen zum Mietendeckel: Bei der Wohnungsnot darf sich die Kanzlerin nicht „durchmerkeln“

Die SPD hat den Mietendeckel als Instrument zur Bändigung der Wohnungsnot entdeckt. Das macht es für Angela Merkel schwierig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralf Schönball

Prominenter Besuch beim Deutschen Mieterbund: Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Freitag Gelegenheit, sich in der großen sozialen Frage unserer Zeit, dem Wohnen, zu positionieren. Ergriffen hat sie die Chance nicht. Sie wiederholte ihr Mantra: Dass mehr gebaut werden müsse, dass der Bund sozialen Wohnraum fördere und das Wohngeld erhöhe. So umging sie das Thema, das zur Zerreißprobe der Koalition werden könnte, den Mietendeckel.

Den hat die SPD als Instrument zur Bändigung der Wohnungsnot entdeckt. Deshalb wird es für die Kanzlerin schwierig, sich bei diesem Thema „durchzumerkeln“. Der Druck ist zu groß. In den Städten zahlen Mieter teils die Hälfte ihres Einkommens an ihren Vermieter. Die Kritik an der Wohnungspolitik verstummt nicht: 77.000 Berliner haben den Aufruf der Volksinitiative unterschrieben, die die Deutsche Wohnen und alle großen Wohnungskonzerne enteignen will. Die Volksparteien müssen Antworten auf diese Herausforderung finden.

Die Berliner rot-rot-grüne Koalition glaubt sie gefunden zu haben. Diese linke Regierungskonstellation wird von so manchem in den drei Parteien auch als Option für Regierungen in anderen Bundesländern und sogar im Bund ins Spiel gebracht. Eine weitere große Koalition wünschen sich immer weniger Bundesbürger – das bringt die SPD in die Defensive. Einige Sozialdemokraten wollen sich nun per wohnungspolitischem Tabubruch aus dieser Zwangsehe mit der Union befreien.

Die Linken werden so links überholt – und wie wirksam der Mietendeckel zu werden droht, das zeigen die so hilflosen wie heftigen Attacken der Ratingagentur Moody’s, die wegen des Deckels vor „sozialer Spaltung“ warnt. Dabei sind es eher die massiven Mieterhöhungen, die an Wucht und Tempo zunehmen seit Wohnungsmärkte Spekulationsfeld von Finanzkonzernen wurden, die sozial spalten. Indem die SPD einen Mietenstopp befördert, leistet sie Abbitte bei ihren Wählern, von denen sie sich mit der Agenda 2010 entfremdete. Das Soziale in der SPD lässt sich wieder erahnen: Euch Mietern helfen wir! Das ist die Botschaft.

Weil die SPD nun liefern muss, wird es ein heißer Sommer

Für die Sozialdemokraten leistet der Mietendeckel noch etwas: Er verhindert noch radikalere Eingriffe in den Markt wie die Vergesellschaftung von Wohnungskonzernen. Das fordert die Berliner Volksinitiative. Die Aktivisten haben die erste Hürde auf dem Weg zum Erlass eines Gesetzes zur Vergesellschaftung genommen. Von diesem Kessel würde der Druck weichen, wenn der Deckel stattdessen die Mieten begrenzt, weil er die Spekulanten entwaffnet, die enteignet werden sollen – so das Kalkül der SPD.

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Mietendeckel und Vergesellschaftungen – vor drei Jahren wäre eine bundespolitische Debatte über solche Eingriffe nicht mal denkbar gewesen. Nur, so wie der Mietendeckel derzeit in Berlin ausgestaltet ist, gefährdet er ausgerechnet auch Genossenschaften und landeseigene Firmen, die den günstigen Wohnraum schaffen sollen, an dem es fehlt.

Weil die Sozialdemokraten nun liefern müssen, wird es ein heißer Sommer. Die Forderung nach dem Mietendeckel mag die Partei quälen – findet sie jedoch abermals keine Antwort auf die Wohnungsnot, droht ihr das Los einer Splitterpartei. Dass der Mietendeckel die große Koalition spaltet, hat sie sich letztlich selbst zuzuschreiben: Weil viel zu lange viel zu wenig gebaut wird. Aber der Ruf nach mehr Neubau allein richtet es nicht.

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