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Und nun? Die Wahl in Bayern am kommenden Sonntag könnte die Union in ihren Grundfesten erschüttern.

© Florian Gaertner/imago/photothek

Angela Merkel und die Union: Begeisterung wecken andere

Der Ärger über den Stillstand in Berlin überwölbt alles. Das werden CSU und CDU bei den Wahlen in Bayern und Hessen zu spüren bekommen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Rainer Woratschka

Sie hat sich tapfer geschlagen, keine Frage. Verständnis für den Unmut des Parteinachwuchses gezeigt, sich neben der gebotenen Selbstkritik auch fordernd und ein wenig ungeduldig gegeben, die frechsten Querulanten abgebürstet, den Jungen sogar noch süffisant einen übergezogen, unter Hinweis auf die geballte Männlichkeit in ihrem Führungsgremium.

Aufstand, welcher Aufstand? Es gab sogar Applaus für Angela Merkel beim Deutschlandtag der Jungen Union.

Kurz noch mal Ruhe vor dem Sturm

Begeisterung aber weckten andere: der drängende Neokonservative Jens Spahn, der besonnene EU-Aufsteiger Manfred Weber, auch die kämpferische Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer. Und kaum war die Chefin gegangen, stimmen die Delegierten dafür, die Amtszeit von Kanzlern und Kanzlerinnen auf drei Wahlperioden zu beschränken.

Die Botschaft: Merkel hätte dem Land ihre vierte Kandidatur besser erspart, aber nun müssen wir sie eben noch eine Weile ertragen. Das Ende ist nur eine Frage der Zeit, es lohnt nicht die Revolte.

So ist die Stimmung bei denen, die in der Union künftig das Sagen haben werden. Noch mal Ruhe vor dem Sturm, denn schon in den nächsten Wochen können sich die politischen Koordinaten im Land ohnehin grundstürzend ändern.

Wenn es in Bayern am Sonntag die letzte verbliebene Volkspartei bei einer nie dagewesenen Wählerklatsche zerlegt. Und wenn es in Hessen womöglich auch eine CDU aus der Staatskanzlei fegt, die landespolitisch gar nicht so viel falsch gemacht hat.

Die Nöte der Christsozialen

Was die Nöte der CSU betrifft, mag bei manchem CDUler auch ein wenig Schadenfreude mitschwingen – nach allem, was sich die Seehofer-Dobrindt-Truppe in Berlin geleistet hat. Doch die Rechnung für ihren Absturz wird, wenn die Prognosen stimmen, die gesamte Union zu begleichen haben.

Ohne ihre Bayern-Bastion steht sie im Bund mit ihrem Regierungsanspruch auf weit wackligeren Füßen. Und keiner weiß, welche politischen Konsequenzen die CSU aus einer verheerenden Niederlage ziehen, wen der irrlichternde Parteichef und Bundesinnenminister bei einem erzwungenen Abgang mit sich reißen und wie sich all das auf das brüchig gewordene Gefüge der Fraktionsgemeinschaft der Parteischwestern auswirken wird.

Schwarz-Grün im Bayernland? Das wäre eine Kulturrevolution

Auch in Bayern selber droht großes Durcheinander. Die gewohnheitsmäßig allein regierende CSU muss womöglich in ein fragiles Dreierbündnis – oder ihren Frieden mit den einstmaligen Erzfeinden machen. Schwarz-Grün wäre, wenn es zustande käme, für das Land eine Kulturrevolution.

Und für die CSU ein Risiko mit offenem Ausgang. Auch wenn man der Selbstgefälligkeit mancher CSU-Potentaten nicht nachtrauert: Als Volkspartei haben die Christsozialen den Freistaat 60 Jahre erfolgreich regiert. Das muss in anderer Konstellation nicht so weitergehen.

Das Merkel-Phänomen

Und Hessen? Vielleicht gibt es nach einem CSU-Desaster dort ja eine Gegenbewegung erschrockener Wähler für die Christdemokraten. Vielleicht aber auch nicht. Regierungschef Volker Bouffier bekommt jedenfalls von einer Mehrheit der Bürger ordentliche Arbeit bestätigt – und kann dennoch nicht auf ihre Stimmen zählen.

Das Merkel-Phänomen macht offenbar vor Wiesbaden nicht halt: Überdruss. Und wie in Bayern zählt die Erfolgsbilanz im Land kaum. Der Ärger über den Berliner Stillstand überwölbt alles.

Politische Stabilität scheint mittlerweile wenig wert zu sein für die Wähler. Vom Osten gar nicht zu reden, wo im nächsten Jahr in drei Ländern abgestimmt wird und Mehrheiten ohne AfD nicht mehr sicher sind. Dazu der Absturz einer in Selbstfindung verstrickten, mit ihrer Regierungsverantwortung hadernden SPD. Im Bund könnte es bei der nächsten Wahl, glaubt man der jüngsten Forsa-Umfrage, selbst für eine schwarz-rote Koalition nicht mehr reichen.

Im Dezember will sich Merkel erneut als CDU-Chefin bestätigen lassen. Das Argument für sie ist wieder mal Verlässlichkeit und Stabilität. Doch wie es aussieht, bewirkt ihr beharrliches Festhalten an der Macht im Land das glatte Gegenteil.

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