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Treffen mit Sicherheitsabstand: Merkel empfängt das erste Mal seit dem Corona-Ausbruch einen ausländischen Staatschef.

© REUTERS/Hayoung Jeon

Update

Merkel und Macron beraten über EU-Wiederaufbau: „Eine finanzielle Herausforderung, wie wir sie noch nie hatten“

Bundeskanzlerin Merkel hat am Montag den französischen Präsidenten empfangen. Dabei ging es vor allem um die Zukunft der EU nach der Coronakrise.

Zwei Tage vor Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron auf Schloss Meseberg bei Berlin getroffen. Die beiden begrüßten sich am Montag vor dem Gästehaus der Bundesregierung mit Abstand.

Im Mittelpunkt ihres Gesprächs stand der wirtschaftliche Wiederaufbau in Europa nach der Corona-Krise. Es handelt sich um den ersten Besuch eines ausländischen Staatschefs bei der Kanzlerin seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie.

Bundeskanzlerin Merkel betonte, dass es sich bei den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise, um „eine finanzielle Herausforderung“ für die EU handele, „wie wir sie noch nie hatten“. Ziel sei es, „gut und heil“ durch die Krise zu kommen, die „noch lange, lange nachwirken wird“.

Macron und Merkel hatten im Mai einen Hilfsfonds in Höhe von 500 Milliarden Euro vorgeschlagen, um die europäische Wirtschaft aus der Corona-Krise zu bringen. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen präsentierte anschließend einen schuldenfinanzierten Wiederaufbauplan mit einem Volumen von 750 Milliarden Euro. Davon sollen 500 Milliarden Euro als Zuschüsse und 250 Milliarden als Kredite an EU-Staaten vergeben werden.

Die Schulden sollen bis 2058 gemeinsam aus dem EU-Haushalt abbezahlt werden. Verhandelt wird der Plan zusammen mit dem nächsten siebenjährigen EU-Finanzrahmen, für den die Kommission 1,1 Billionen Euro ansetzt.

Merkel und Macron werben unter den anderen EU-Mitgliedsstaaten für diesen Plan. Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark - die „Sparsamen Vier“ - lehnen Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen, jedoch ab.

Macron verteidigte am Montag den deutsch-französischen Vorstoß. Die Haushaltszuschüsse seien der Fokus des Wiederaufbaus, erklärte Macron. Darlehen und Kredite hätten hingegen wenig Haushaltswirkung und würden die Verschuldung der stark von der Corona-Pandemie betroffenen Länder verstärken. Macron drängte auf eine schnelle Entscheidung über den Wiederaufbau. Wenn man warte, werde es nicht einfacher, sagte der französische Präsident am Montag.

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Eine Entscheidung könnte beim EU-Gipfel Mitte Juli in Brüssel fallen. Die Bundesregierung würde gerne bei diesem Gipfel mit einer Einigung in den Finanzfragen den Grundstein für eine erfolgreiche EU-Ratspräsidentschaft legen, der ersten seit 13 Jahren. Für Merkel ist es etwa ein Jahr vor dem Ende ihrer Amtszeit noch einmal eine Chance, sich als große Europäerin in die Geschichtsbücher einzutragen.

Mit ihrem Agieren während der Euro-Krise und bei der Aufnahme hunderttausender Flüchtlingen 2015 hatte sie sich den Vorwurf eingehandelt, Europa auseinanderzudividieren.

Hohe Erwartungen an deutsche EU-Ratspräsidentschaft

Die Erwartungen an die deutsche Präsidentschaft sind hoch, betonte Merkel am Montag. Neben den Finanzfragen gilt es auch den Brexit zu regeln und bei den Themen Klimaschutz und Digitalisierung voranzukommen. In Fragen des Klimaschutzes und der Digitalisierung müsse Europa souveräner werden, sagte die Bundeskanzlerin weiter.

„Wir wollen diese Erwartungen erfüllen, indem wir uns dafür einsetzen, dass wir alle zusammen gut aus der Krise herauskommen und wir Europa gleichzeitig auf die Zukunft vorbereiten“, sagte Merkel am Samstag in ihrer wöchentlichen Videobotschaft. Das Motto der Präsidentschaft lautet: „Gemeinsam. Europa wieder stark machen“.

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Auch für Frankreich, das hart von der Corona-Pandemie getroffen wurde, geht es in den Verhandlungen über den Wiederaufbaufonds um viel Geld. Paris erhofft sich aus dem Programm 30 bis 40 Milliarden Euro. Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff forderte Merkel und Macron auf, bei ihrem Treffen die Weichen für das Wiederanlaufen der Wirtschaft in Europa zu stellen.

„Wichtig ist, dass die Mittel aus dem Fonds nicht mit der Gießkanne verteilt werden, sondern gezielt dort ankommen, wo Bedarf besteht“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin

Frankreichs Präsident hofft auf neuen Schwung

Macron sucht nach der monatelangen Corona-Krise neuen Schwung. Der einstige Senkrechtstarter nimmt dabei diplomatische Initiativen wieder auf. So sprach er Ende vergangener Woche mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin über einen möglichen neuen Ukraine-Gipfel. Ein nächstes Spitzentreffen im sogenannten Normandie-Format würde in Berlin stattfinden, hieß es aus Macrons Umfeld. Auch über dieses Thema dürften die beiden Spitzenpolitiker also in Meseberg sprechen.

Nachdem Macron und Merkel Mitte Mai ihre Initiative für den europäischen Krisenplan zur Bewältigung der Corona-Krise vorlegten, herrscht wieder Harmonie zwischen den beiden wichtigen Hauptstädten. Es gibt aber bei Details wohl noch unterschiedliche Auffassungen, beispielsweise bei der Kontrolle der Mittelverwendung.

So will Paris bei der Überprüfung von Wirtschaftsreformen Ähnlichkeiten mit der berüchtigten „Troika“ aus der griechischen Schuldenkrise vermeiden. „Wir müssen ein neues System finden“, so lautet das Credo. (dpa, Tsp)

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