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Merkel und Scholz machten es vor: Fünf Beispiele von gebrochenen Politiker-Versprechen

Esken und Walter-Borjans versprachen das Groko-Ende, nun kommt es wohl nicht. Solche Kehrtwenden machten Politiker zuletzt häufig, manche scheiterten deshalb.

Bei ihrer Kandidatur für den SPD-Vorsitz stellte Saskia Esken im November fünf klare Forderungen auf: Zwölf Euro Mindestlohn, mehr Schutz für Tarifverträge, ein Ende der "Schwarzen Null", Milliarden neuer Investitionen und mehr Klimaschutz. "Auf all das können wir nicht zwei Jahre warten", erklärte die Bundestagsabgeordnete vom linken Parteiflügel.

Mit diesem klaren Kurs besiegten sie und ihr Mitstreiter Norbert Walter-Borjans schließlich auch Vizekanzler Olaf Scholz und und seine Mitbewerberin Klara Geywitz. Jetzt, nicht einmal einen Monat nach dem Fünf-Punkte-Plan, scheint es aber, als könnten die designierten SPD-Chefs doch noch eine ganze Weile warten.

Im Vorentwurf des Leitantrags für den am Freitag beginnenden Parteitag in Berlin steht fast nichts mehr, dass die Große Koalition kurzfristig zum Einsturz bringen könnte. Auch Juso-Chef Kevin Kühnert, der jetzt Partei-Vize werden will, tritt vor dem Parteitag deutlich auf die Bremse.

Bricht die neue SPD-Spitze plötzlich mit dem Anti-GroKo-Kurs, für den sie vor wenigen Tagen erst gewählt wurde? Es wäre nicht das erste Mal, dass Politikern von ihren eigenen Worten plötzlich nichts mehr wissen wollen.

Doch wer sich falsch positioniert, riskiert schnell die Glaubwürdigkeit – oder noch mehr, wie prominente Beispiele aus der Vergangenheit zeigen.

Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans nach ihrer Wahl in Berlin.
Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans nach ihrer Wahl in Berlin.

© REUTERS/Fabrizio Bensch

Angela Merkel: "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben"

Vor laufenden Kameras versprach Kanzlerin Angela Merkel im Wahlkampf 2013: "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben". Wenige Monate später bildete ihre Partei mit SPD und CSU eine neue Regierung und die Maut kam doch. Inzwischen hat der Europäische Gerichtshof das Lieblingsvorhaben der CSU gestoppt.

Konsequenz: Deutschland drohen wegen vorschnell geschlossener Verträge mit den geplanten Betreiberfirmen jetzt Forderungen in Millionenhöhe.

Die SPD: Wir gehen nicht in die GroKo

Nach dem historisch schlechten Ergebnis bei der Bundestagswahl 2017 (20,5 Prozent) versprach die SPD-Spitze, nicht noch einmal mit der Union zu koalieren. Parteichefin Andrea Nahles kündigt selbstbewusst an: "Ab morgen kriegen sie in die Fresse". Weniger bekannt wurde eine andere Ankündigung von ihr: "Wir gehen nicht in die Opposition, um in der Opposition zu bleiben." Dieses Versprechen sollte sie bald darauf bestätigen. Nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen ließen sich die Sozialdemokraten vom Bundespräsidenten in die Pflicht nehmen und traten in die dritte GroKo unter der Führung von Angela Merkel ein.

Konsequenz: Die Jusos starteten eine fast erfolgreiche NoGroKo-Kampagne, Vizekanzler Olaf Scholz wurde beim nächsten Parteitag mit nur noch 59,2 Prozent Stellvertreter. Zwei Jahre später verzichteten die Genossen gleich ganz auf ihn und wählten stattdessen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans an die Parteispitze. Dafür kandidiert jetzt Juso-Chef Kevin Kühnert für den stellvertretenden SPD-Vorsitz. 

Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) vor der Bundestagswahl 2017.
Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) vor der Bundestagswahl 2017.

© picture alliance / Michael Kappe

Martin Schulz: Kein Minister unter Angela Merkel

Am 25. September 2017, dem Tag nach der Bundestagswahl, gab SPD-Chef Martin Schulz ein Versprechen ab: "In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten." Damals schien als, als gingen die Sozialdemokraten ohnehin in die Opposition. Doch daraus wurde nichts.

Wenige Monate später vereinbarte die SPD erneut eine Koalition mit der Union – und Schulz überlegte plötzlich, Außenminister zu werden. Öffentlich gab es für den überlegten Wortbruch jedoch massive Kritik. Auch Parteifreunde zeigten für Schulz nur noch wenig Verständnis.

Konsequenz: Am 9. Februar erklärte er schriftlich seinen “Verzicht auf den Eintritt in die Bundesregierung”. Vier Tage später trat er auch vom SPD-Vorsitz zurück.

Noch-Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Noch-Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

© imago images/Jens Schicke

Annegret Kramp-Karrenbauer: Konzentriere mich ganz auf Partei

Auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wollte ursprünglich nicht die Regierung von Angela Merkel wechseln. Auf die Frage, ob sie im Zweifel Ursula von der Leyen ins Verteidigungsministerium folgen würde, antwortete sie im Sommer: "Ich habe mich bewusst entschieden, aus einem Staatsamt in ein Parteiamt zu wechseln. Es gibt in der CDU viel zu tun." Kurz darauf wurde von der Leyens Platz frei und Kramp-Karrenbauer übernahm ihn mit der Begründung, sie habe “die Situation sehr deutlich neu bewertet.”

Konsequenz: Bislang keine direkten. Streitig gemacht wird ihr vor allem ein dritter CDU-Job: die nächste Kanzlerkandidatur.

Olaf Scholz: Keine Zeit für SPD-Vorsitz

Es war die wohl fatalste Fehleinschätzung seiner Karriere: Im Juni sagte Olaf Scholz, dass das Amt des Vizekanzlers mit dem SPD-Vorsitz zeitlich nicht vereinbar sei. Wenige Wochen später kandidierte Scholz dennoch, wohl vor allem aus Verantwortungsgefühl und um ein vorzeitiges Ende der Großen Koalition zu verhindern. Mit seiner Mitbewerberin Klara Geywitz schaffte es Scholz noch in die Stichwahl. Doch dann stimmten die SPD-Mitglieder klar gegen ihn und Geywitz.

Konsequenz: Olaf Scholz' Karriere ist praktisch beendet. Auf dem Parteitag werden wohl diejenigen an die Spitze gewählt, die der Finanzminister verhindern wollte. Spätestens wenn die neue Parteispitze die GroKo verlässt, dürfte auch Scholz' Zeit als Vizekanzler zu Ende sein.

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