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Politik: Merkel warnt Teheran vor Isolation

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz findet die Kanzlerin deutliche Worte im Atomstreit mit Iran

Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch Russlands Präsident Wladimir Putin haben auf der Sicherheitskonferenz in München Iran aufgerufen, sich in der Frage des Atomprogramms zu bewegen. Der russische Präsident äußerte sich zu dem Thema erst mit einer Antwort auf eine Frage in der überraschend offenen Diskussion nach seiner Rede: Er verstehe „überhaupt nicht, warum Iran nicht längst auf die Besorgnisse reagiert“ habe, sagte Putin. Zusammenarbeit sei besser als Konfrontation, mahnte er – wohl nicht zuletzt auch in Richtung Westen – in Anwesenheit des iranischen Chefunterhändlers Ali Laridschani. Putin nahm Teheran auch in Schutz: Iran bedrohe Europa nicht. Im Gegensatz zu Russland lieferten im Übrigen die USA bis heute militärisches Material an Iran.

Kanzlerin Merkel hatte Teheran zuvor aufgefordert, „ohne Tricks“ die Resolutionen von Sicherheitsrat und Internationaler Atomenergieorganisation (IAEO) zu erfüllen – sonst drohe ein Abgleiten in die Isolation. Die Staatengemeinschaft sei entschlossen, eine atomare Bedrohung durch den Iran zu verhindern. Dieser müsse sich „ein- und unterordnen“.

Ali Laridschani selbst beteuerte, die Doktrin Irans sei defensiv. Angela Merkel habe interessante und wichtige Dinge gesagt, aber Iran benötige internationale Garantien, denn Personen würden wechseln. Das Problem sei durch Verhandlungen zu lösen. Mit Javier Solana habe man konstruktive Gespräche geführt und sei dann sehr erstaunt gewesen, dass die EU den Verhandlungstisch verlassen habe. Im Übrigen sei Iran Mitglied der IAEO und unter deren Augen könne niemand eine Bombe bauen. Vielmehr bräuchten einige Länder imaginäre Bedrohungen, um ihre eigenen abenteuerlichen Vorhaben zu rechtfertigen, so Laridschani.

Mit Blick auf Russland sagte Merkel , sie erlebe Russland als „berechenbaren“ Partner, aber man dürfe und werde Probleme „nicht unter den Tisch kehren“. Zeit für eine Aussprache hatte die Kanzlerin bei einem bilateralen Mittagessen mit dem russischen Präsidenten. Mit Blick auf den Streit um Energielieferungen betonte Putin, der Preis müsse durch den Markt entschieden werde, „nicht durch wirtschaftlichen Druck oder Erpressung“. Moskau sei bereit „redlich zu konkurrieren“. Unterschiede zwischen Putin und Merkel wurden in der Kosovo-Frage deutlich: Man wolle mit größter Sensibilität vorgehen, aber „nicht bis zum Sankt-Nimmerleinstag“ warten, sagte Merkel. Es gebe eine europäische Perspektive „für alle auf dem Westbalkan“. Putin hingegen warnte davor, „Herrgott“ spielen und einer Seite eine Lösung aufzwingen zu wollen: Wenn eine Seite „offensichtlich nicht einverstanden ist“ und ein Partner sich beleidigt oder gedemütigt fühle, werde es Jahrhunderte dauern, eine Lösung zu finden.

US-Senator John McCain, Aspirant für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner, zeigte sich besorgt über den von Putin angeschlagenen Ton in München. Es dürfe kein Platz mehr sein für sinnlose Konfrontationen, sagte McCain. Im Übrigen sei die Welt keineswegs unipolar, wie Putin kritisiert habe. Vielmehr müsse Russland sein Verhalten ändern. SPD-Chef Kurt Beck lobte indes die Offenheit der Rede Putins: „Das war genau das Gegenteil von Kaltem Krieg.“ Auf der Basis des offenen und ehrlichen Austauschs über die Interessen sei ein „stabiles Miteinander“ möglich. Auch Merkels Rede war nach Ansicht Becks „wegweisend“.Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte: „Ich bin und bleibe der Auffassung, dass wir weiter eine Partnerschaft Russland-Nato brauchen.“ In der Frage der Raketenabwehr sei aber sicher „noch ein Stück Dialog“ zu führen, um die Bedenken Putins auszuräumen. Der SPD-Außenpolitiker Karsten Voigt nannte die Fragen Putins an Nato und USA berechtigt. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Ruprecht Polenz (CDU), sagte dem Tagesspiegel, die Nato müsse im Nato-Russland-Rat „konstruktiv“ auf die Klagen Putins über die Truppenstationierung eingehen und diese nicht übergehen. „Bemerkenswert“ und überraschend fand Polenz, dass Putin ausführlich auf Fragen geantwortet und diese auch „nicht als Majestätsbeleidigung“ aufgefasst habe.

„Zynisch“ nannte er jedoch die Antwort Putins auf Fragen nach der ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja. Dazu hatte Putin gefragt: „Wo sterben heute die meisten Journalisten? Im Irak.“ Damit habe er einmal mehr unterstrichen, dass er keine Presse wünsche, die sich kritisch mit ihm beschäftige. Als falsch empfand Polenz auch Putins Aussage, das Ausland versuche über die Finanzierung von NGOs Einfluss auf den russischen Wahlkampf zu nehmen. Nichtregierungsorganisationen in Russland hätten keine Möglichkeit, sich selbst zu finanzieren.

Der als einziger Vertreter einer Menschenrechtsorganisation eingeladene Chef von Human Rights Watch, Kenneth Roth, führte Putins selbstbewusstes Auftreten darauf zurück, dass Russland wegen seiner Energiereserven wieder mehr Einfluss gewinne. Während der russische Präsident dem Westen Monopolarität vorwerfe, sei in Wirklichkeit seine Regierung unipolar, sagte Roth dem Tagesspiegel.

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