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In europäischer Mission: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im April 2016 bei einem Truppenbesuch in Mali.

© Michael Kappeler/REUTERS

Merkels letzte Option: Noch ist Ursula von der Leyen nicht durch

Kann eine krisengeschüttelte Verteidigungsministerin künftig Europa führen? Scheitert die Kandidatin, ist auch Angela Merkel beschädigt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Da hat sich Angela Merkel als Erbin Helmut Kohls gezeigt: Wichtig ist, was hinten rauskommt. So lautet ein alter Spruch des Rekordkanzlers, auf dessen Spuren die Kanzlerin im 14. Jahr ja wandelt. Und rausgekommen ist beim Brüsseler Postenpoker in Merkels Sinn eine Kommissionschefin, die erste, die auch noch eine Deutsche ist.

Sagen wir mal: bis auf Weiteres. Denn was hätten die Deutschen gesagt, wenn die Italiener jemanden als Kommissionspräsidenten präsentiert hätten, gegen den in einem laufenden Untersuchungsausschuss des Parlaments schwere Anschuldigungen erhoben werden? Merkwürdig hätten sie es genannt. Und abgelehnt.

Das kann auch noch passieren, im Europaparlament. Immerhin sind bei der großen Wende dann doch Prinzipien über Bord gegangen. Das Spitzenkandidatenprinzip zum Beispiel. Mal sehen, wie heilig den Abgeordneten ihr Einfluss ist.

Zumal dabei auch diese Frage zu beantworten sein wird: Ist eine Politikerin, die erkennbar Schwierigkeiten hatte, das Verteidigungsministerium zu leiten, geeignet, die EU aus ihrer Krise zu führen? Einer Krise, die sich mit ihrer Berufung womöglich noch verschärft?

Sie ist eine, die zugegebenermaßen jahrelang an entscheidenden Stellen in der Bundesregierung gesessen hat und damit für einen Führungsposten in Europa landläufig groß genug ist. Die polyglott ist. Die Erfahrungen mit der Brüsseler Spitzenbürokratie aufweist und sogar in der Hauptstadtregion Brüssel geborene Tochter eines (damaligen) Generaldirektors der EG ist. Aber Leyen ist eben jetzt bestimmt auch froh, wenn sie schnell vom Schleudersitz im Wehrressort runterkäme. In der Bundeswehr werden Sektkorken knallen. Aber wohl erst einmal auch nur dort.

Will heißen: Noch ist Leyen nicht durch. Andererseits will keiner die Institutionen der EU weiter schwächen. Das Personalpaket ist darauf angelegt, alle zu bedenken, die Großen, Deutschland und Frankreich, und die anderen, hier Belgien und Spanien – und die Sozialdemokratie zusätzlich mit Frans Timmermans als noch herausgehobenerem Vizepräsidenten als jetzt schon.

Mit der CSU begleicht Merkel noch eine Rechnung

Die Gleichung mit Unbekannten, eine der womöglich letzten ganz großen Aufgaben für die Politphysikerin Angela Merkel – die ja sehr gut berechnen kann – ist soweit mal gelöst. Nebenbei begleicht sie Rechnungen. Nicht eine mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron; der bekommt ja, was er will, die EZB-Chefin. Das sichert Einfluss und Gestaltungsmacht. Sondern zum Beispiel mit der CSU, die Merkel aus auch innerparteilichen und unionsinternen Gründen zur Unterstützung des Kandidaten Manfred Weber gezwungen hat, der erkennbar nicht der ihre war.

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Die SPD wiederum sollte sich nicht beschweren können, dafür wollte die Kanzlerin sorgen. Deshalb war sie so lange sichtbar an der Seite ihres Kandidaten Timmermans, wie der eine Chance hatte. Oder zu haben schien. Dass er keine wirkliche hatte, weil die Sozialdemokraten in der Europawahl nicht gewonnen haben – das kann der Kanzlerin niemand vorwerfen.

Merkel als Kohl: Europa bedenken, Deutschland und sich selbst. Mit ihrer Methode des Abwägens, Abwartens, Ermüdens ist sie weit gekommen. Jetzt steht Angela Merkel da, mit dieser, ihrer Kandidatin Ursula von der Leyen. Die es nun werden muss. Sonst ist die Kanzlerin schwer beschädigt. Und Europa gleich mit. So weit hätte es Kohl nicht kommen lassen.

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