zum Hauptinhalt
Sympathisch, fällt einem zu Steffen Seibert ein, wenn er in die Kamera lächelt. Foto: dpa

© dpa

Politik: Merkels Mainzelmann

Der routinierte ZDF-Nachrichtenverkäufer, bekennende Wechselwähler und konvertierte Katholik Steffen Seibert wird neuer Regierungssprecher in Berlin

Von

Berlin - So geräuscharm hat man selten jemanden dieses Amt einnehmen sehen. Seit Wochen kursiert im Berliner Politikbetrieb nur ein einziges Gerücht, wenn es um die Nachfolge von Ulrich Wilhelm im Amt des Regierungssprechers von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geht; nämlich dass es kein Gerücht über Namen gibt, die im Rennen sind.

Nun also ist es klar: Die Regierungschefin hat sich für einen Journalisten entschieden, dessen Gesicht in Deutschland beinahe jeder kennt – der allerdings im Politikbetrieb selbst noch wenig verankert ist. Steffen Seibert vom ZDF wird damit zunächst Sprachrohr der Kanzlerin sein. In seine Aufgaben als Kommunikationschef der Regierung in das eigene politische Lager muss er sich hingegen erst noch einarbeiten. Und zwar rasch. Schließlich leidet Schwarz-Gelb seit Monaten nicht nur am inneren Streit über die eigene Politik, sondern auch daran, die eigenen Erfolge im Interesse aller Koalitionäre ins rechte Licht zu rücken.

Am 11. August wird Steffen Seibert die Nachfolge von Ulrich Wilhelm antreten. Seibert lässt sich vom Bundespresseamt mit den Worten zitieren: „Für einen leidenschaftlichen Journalisten ist das eine ganz unerwartete, faszinierende neue Aufgabe.“    Er sei überzeugt, dass die Bundesregierung unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel die richtigen Schwerpunkte setze, „um unserem Land in diesen schwierigen Jahren eine gute Zukunft zu sichern“. Mit aller Kraft will Seibert helfen, diese Politik den Bürgern zu vermitteln. Auf die Zusammenarbeit mit der CDU-Kanzlerin und ihrem schwarz-gelben Kabinett freue er sich sehr. Auch Merkel freue sich auf die Zusammenarbeit, hieß es ergänzend.

Mit Seiberts Entscheidung steht fest, dass der 50-jährige Journalist für das ZDF „heute“ und „heute-journal“ moderiert hat. Zwei Aufgaben, die interessanter, prominenter und populärer nicht sein könnten. Der gebürtige Münchner hat, wie könnte es in diesen Zeiten anders sein, in Hannover die Schule besucht, anschließend Geschichte und Literaturwissenschaft in Hamburg und London studiert. Danach und bis heute hieß sein Arbeitgeber ZDF. Schnell und steil hat er Karriere gemacht, er war Korrespondent in Washington, beim „Morgenmagazin“ in Berlin, er hat Zahlen und Hochrechnungen bei Wahlsendungen präsentiert. Versiert in vielen Disziplinen des Fernsehjournalismus – Reporter, Moderator, Korrespondent –, wurde Seibert im Januar 2003 in Mainz sesshaft, als „Anchor“ und Redakteur der „heute“-Nachrichten um 19 Uhr; seit Mai 2007 moderierte er zudem das „heute-journal“.

Steffen Seibert ist ein Bildschirm-Sympath. Seine Auftritte wirken souverän, seine Formulierungen sitzen. Er ist ein im Wortsinne prima Nachrichten-Vermittler, eine Qualifikation, die zum neuen Job unbedingt gehört. Im Sender gilt Seibert als sehr fleißig, sehr belastbar, und es ist als Lob gemeint, dass er anders als andere ZDF-Stars kein „Raffke“ ist, wenn es um Geld und Gehalt geht. Diese Leichtigkeit, die Seibert verströmt, macht manchen Zuschauer argwöhnisch. Im Tagesspiegel-Interview berichtete er von einer Frau, die ihm gesagt habe, er sehe aus, als würde er nach der Sendung Prosecco trinken. So sehr Seibert das gewurmt hat, so sehr weiß er, dass er wenig bis nichts gegen das Bild vom Smarten tun kann. Seibert will nur mit seiner Bildschirmarbeit in der Öffentlichkeit bestehen, mit nichts sonst. Drei Kinder haben seine Frau und er, mehr soll an Privatleben nicht bekannt werden. Seibert, der seriöse, mehrfach ausgezeichnete Journalist und nachdenkliche Mensch.

Der evangelisch Getaufte konvertierte zum Katholizismus. „Ich habe danach gehungert, es hat mich danach gedürstet, wenn Sie es alttestamentarisch hören wollen. Ich wollte an die Quelle“, sagte er dem Tagesspiegel. Ihm ist das ernst, was seine Auftritte im kirchlichen Rahmen wie bei den ZDF-Galas nach Tsunami und Haiti-Erdbeben bezeugen.

Das Angebot aus dem Kanzleramt kam für den bekennenden Wechselwähler Seibert, von dem anders als vom CSU-Mitglied Wilhelm keine Parteimitgliedschaft bekannt geworden ist, überraschend. Nicht nur für ihn selbst, auch für seinen Sender. ZDF-Chefredakteur Peter Frey bedauerte, dass „Seibert seine Perspektive nicht im Journalismus gesehen hat“. Zu halten war der Journalist vom ZDF nicht, auch die mögliche Perspektive, „heute“ um 19 Uhr quasi im Solo zu moderieren, wie es Peter Kloeppel bei RTL leistet, hat ihn nicht zur Umkehr bewogen. Ein Gran Eitelkeit wird mit im Spiel sein. Mag es auch nur wenige Anchormänner im Lande geben, so gibt es nur einen Bundesregierungssprecher. Sein Vorgänger, Ulrich Wilhelm, hört Ende Juli auf. Er kam von BR und Edmund Stoiber nach Berlin und wird BR-Intendant. Nicht jede Karriere wiederholt sich.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false