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Politik: Mescalero-Nachruf: Gegenangriff

"Wäre es möglich, dass wir erfahren, wer Herr Trittin ist und woher er kommt?", lautete eine Frage.

"Wäre es möglich, dass wir erfahren, wer Herr Trittin ist und woher er kommt?", lautete eine Frage. Das Parlaments-Handbuch gebe Auskunft, beschied die Regierung. Dort sei alles nachzulesen. Eine Stunde lang wurde dann gestritten. Was Jürgen Trittins Linksradikalismus der 70er Jahre angeht, hat die Republik dabei nichts dazugelernt. Wohl aber, was die Frage angeht, wie der Umweltminister sich heute zu seiner Vergangenheit stellt - oder auch nicht.

Woher er kommt? Am Mittwoch aus der Bundespressekonferenz. Dort hatte Trittin zu seiner umstrittenen Äußerung in einem NDR-Interview von 1994, er habe sich nie vom "Mescalero-Nachruf" auf den 1977 von der RAF ermordeten Generalbundesanwalt Siegfried Buback distanziert und tue dies auch heute nicht, gesagt: "Es ist schon interessant, dass Fernsehinterviews als geheime Kommandosache über den Agentur-Ticker gehen und für alle lesbar sind." Der Text war der wichtigste Beleg für die Anschuldigung des Sohnes Michael Buback in der Sendung "Sabine Christiansen", Trittin bedauere bis heute nicht wirklich den RAF-Terror.

Mehrere Monate lang hätten Personen damals wegen regierungsfeindlicher Parolen in Untersuchungshaft gesessen, ohne je verurteilt zu werden, sagte Trittin wenig später im Bundestag. Auf Nachfrage bekannte er, keinen konkreten Fall parat zu haben. "Gab es also unter den sozialliberalen Regierungen Brandt und Schmidt keine Meinungsfreiheit?", fragte Dirk Niebel (FDP). "Es hat heftige Auseinandersetzungen gegeben, wo die Grenzen der Meinungsfreiheit lagen", antwortete Trittin. Der Minister beim Gegenangriff: "Ich bin nie dabeigewesen, wenn Kneipen politisch Andersdenkender mit Müll-Containern verwüstet und in Schutt und Asche gelegt wurden. Und vor allem habe ich danach nicht tagelang mit den Tätern gefeiert", rief Trittin in Anspielung auf Selbstbezichtigungen von Unions-Fraktionschef Friedrich Merz. Dann kommentierte er das Renten-Plakat der CDU: "Es ist schon bemerkenswert, wenn die Union sich dazu hinreißen lässt, den Kanzler als Verbrecher darzustellen. Das erzeugt ein Klima im Lande, das mich an 68 erinnert, wo von gewissen Presseorganen gesponsert eine Stimmung entstand, die zu Morden geführt hat." Und nochmal Vorwärtsverteidigung. Trittin griff die Homepage der Jungen Union an, von der ein Link zu einem Spiel führe, bei dem man die Höchstzahl von 1000 Punkten für Holzhammerschläge auf ihn, Trittin, bekomme. "Wenn das Ihre Vorstellung von Gewaltfreiheit in der Politik ist, führen Sie sich in einem Maße philisterhaft auf, das schlicht unerträglich ist!"

Zwei dubiose Tatsachenbehauptungen garnierten den Nachmittag. Der Minister beharrte darauf, "Mescalero" nicht zu kennen. Kanzleramtsminister Hans Martin Bury (SPD) sagte, nach seiner Kenntnis habe der Kanzler nicht mit Trittin über Buback gesprochen. Der FDP-Abgeordnete Koppelin fragte nach: Seit "Christiansen" habe es kein Gespräch des Kanzlers mit seinem Umweltminister über "Mescalero" gegeben? Bury beschied, diese Frage sei bereits beantwortet. Nach Tagesspiegel-Informationen hat Schröder sehr wohl am Sonntag abend mit Trittin über Buback geredet. Dass der Kanzler mit seinem Minister am Mittwoch morgen vor der Kabinetts-Sitzung über das Thema sprach, bestätigt Regierungssprecher Heye. Bevor der Minister sich verteidigte, teilte Innen-Staatssekretär Fritz Rudolf Körper (SPD) Spärliches darüber mit, was die Regierung über Trittins Mitgliedschaft im Kommunistischen Bund der 70er Jahre weiß. "Es geht Ihnen darum, eine Person in Misskredit zu bringen", warf Körper den Fragenden vor. Die stammten fast alle aus der Fraktion der FDP - Liberale, die auf Grüne schießen. Trittin schoss zurück: Habe nicht die FDP einmal den Einzug in den niedersächsischen Landtag verpasst? Und: "Ich kann mich nicht erinnern, dass die FDP jemals eine Gelegenheit ausgelassen hätte, über meine Vergangenheit zu reden!"

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