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Mexiko: Blogger geraten ins Visier der Drogenkartelle

Mexikos Drogenbanden töten offenbar gezielt Blogger, weil sie deren Gewaltausbrüche dokumentieren. Doch auch die Regierung geht hart gegen die Nutzer von Blogs und sozialen Netzwerken vor.

Die beiden Leichen waren fürchterlich zugerichtet, verstümmelt, blutüberströmt und an den Extremitäten aufgehängt an einer Brücke in der nordmexikanischen Grenzstadt Nuevo Laredo. So fanden sie entsetzte Taxifahrer und alarmierten die Polizei. Die Identität der beiden Toten war zunächst unklar. „Unter 25 Jahre, eine Frau und ein Mann“, gab die Polizei zu Protokoll. Aber eine Botschaft neben den verstümmelten Leichen lieferte das Motiv: „Das passiert allen Internetpetzen. Wir haben ein Auge auf euch. Z.“

Das „Z“ steht für die Zetas, das grausamste Drogenkartell Mexikos, dessen Kern aus ehemaligen Elitesoldaten besteht. Der Vorwurf des Kartells an die beiden Getöteten: Sie sollen in Blogs über den Drogenkrieg geschrieben haben. Ob die Gruppe wirklich hinter dem Attentat steckt und ob die Toten tatsächlich auf den Blogs „Frontera al Rojo Vivo“ und „Blog del Narco“ aktiv waren, konnte zunächst nicht offiziell bestätigt werden.

Auch die Regierung geht hart gegen die Nutzer von Blogs und sozialen Netzwerken vor. So wurden in Veracruz an der Ostküste Mexikos eine Großmutter und ein Mathematiklehrer festgenommen und als Terroristen angeklagt, weil sie auf Twitter über einen angeblich bevorstehenden Angriff eines Drogenkartells auf Schulen berichtet hatten. Daraufhin breitete sich Panik aus, Eltern rasten zu den Schulen und verursachten Unfälle. Nach internationalen Protesten wurde am Mittwoch die Anklage wegen Terrorismus gegen die beiden Twitterer zurückgezogen. Sie kamen gegen Kaution frei, müssen sich nun allerdings wegen Landfriedensbruch verantworten – ein Straftatbestand, der bisher nicht existierte und erst am Dienstag vom Parlament verabschiedet worden war. Beobachter gehen davon aus, dass die Regierung damit ein Exempel statuieren will.

Nach Auffassung der Menschenrechtsorganisation Amnesty International ist das Vorgehen der mexikanischen Regierung der falsche Weg. „Die Behörden haben die Pflicht, in diesem Klima des Misstrauens für verlässliche Informationen zu sorgen“, sagt die Gruppe. Viele traditionelle Medien schweigen über den Drogenkrieg, eingeschüchtert von Drohungen und Morden. Den staatlichen Stellen, die als korrupt gelten, vertrauen die Bürger längst nicht mehr. So haben sich Twitter und Blogs in den letzten Jahren zum wichtigsten Informationskanal entwickelt. Selbst Präsident Felipe Calderón twittert – mit Vorliebe über Festnahmen von Drogenbossen. Im Kampf gegen die Kartelle wurde zudem die „Denuncia Ciudadana“ eingeführt, ein System über das Verdächtige anonym angezeigt und das weitverbreitete Schweigen durchbrochen werden soll. Offenbar basieren darauf auch einige der jüngsten Festnahmen.

Die Mehrzahl der von Bürgern gebloggten und getwitterten Informationen über den Drogenkrieg entspricht der Wahrheit, fand Andres Monroy Hernandez, Doktorand am MIT in den USA, in einer Studie heraus. „Fast die Hälfte der Twitter-Nachrichten wird weitergeleitet, was zeigt, dass ein großes Solidaritätsnetz geschaffen wurde. Das bereitet mir aber auch Sorge, weil keiner für die Verlässlichkeit der Informationen bürgen kann“, so Monroy. Was Gerücht ist, was Wahrheit, wer hinter welcher Information steckt oder sich die Medien zunutze macht– all das verliert sich im Propagandagetöse des blutigen Drogenkriegs in Mexiko. Jetzt drohen auch die Nutzer von Blogs und sozialen Netzwerken zwischen die Fronten aufgeschreckter Behörden und mörderischer Kartelle zu geraten.

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