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MfS: Zweifel an Stasi-Akte zu Verena Becker

Der Anwalt und Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, ehemals Verteidiger mehrerer RAF-Terroristen, äußert ähnlich wie Sicherheitsexperten Zweifel am Wahrheitsgehalt der kürzlich bekannt gewordenen Stasi-Akte zu Verena Becker.

Berlin - Der Anwalt und Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, ehemals Verteidiger mehrerer RAF-Terroristen, äußert ähnlich wie Sicherheitsexperten Zweifel am Wahrheitsgehalt der kürzlich bekannt gewordenen Stasi-Akte zu Verena Becker. „Ich setze da ein genauso riesiges Fragezeichen hinter wie die Bundesanwaltschaft“, sagte Ströbele, heute Vizevorsitzender der Bundestagsfraktion der Grünen, am Mittwoch dem Tagesspiegel. In der Akte findet sich die Niederschrift des Stasi-Majors Siegfried J., der im Februar 1978 behauptet, die RAF-Terroristin Verena Becker werde seit 1972 „von westdeutschen Abwehrorganen wegen der Zugehörigkeit zu terroristischen Gruppierungen bearbeitet bzw. unter Kontrolle gehalten“.

Die Notiz ist brisant, weil sie den Eindruck erweckt, Becker hätte mit dem Verfassungsschutz in Verbindung gestanden, als sie in den 70er Jahren Anschläge verübte. Die Ex-Terroristin sitzt, wie berichtet, seit vergangener Woche in Untersuchungshaft.

Die Bundesanwaltschaft hält Becker vor, an der Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback im April 1977 beteiligt gewesen zu sein. Offen bleibt, wer die Schüsse auf Buback und zwei Begleiter abgab. Kontakte zum Verfassungsschutz soll Becker laut Bundesanwaltschaft erst 1981 unterhalten haben, da befand sich die Frau in Haft. Dem Nachrichtendienst nannte Becker den RAF-Mann Stefan Wisniewski als Todesschützen. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe beantragte unterdessen die Herausgabe bisher gesperrter Verfassungsschutzunterlagen.

Die Stasi „hat viel aufgeschrieben“, sagte Ströbele, „da gab es viel Aufschneiderei, alles zu wissen“. Er selbst könne sich nicht daran erinnern, dass einer seiner Mandanten aus der RAF in der Haft vom Verfassungsschutz kontaktiert wurde. „Darauf hätten die sich auch nicht eingelassen.“ Ströbele hatte bis 1975 gemeinsam mit weiteren Anwälten Mitglieder der ersten RAF-Generation vertreten.

Es sei aber naheliegend, dass der Verfassungsschutz schon früh versuchte, im Umfeld von RAF und Bewegung 2. Juni Kontakte zu knüpfen, sagte Ströbele. Auch die Stasi habe sich offenbar schon 1970 mit der RAF befasst. Damals seien Ulrike Meinhof, Andreas Baader und weitere RAF-Mitglieder über die DDR – den Flughafen Berlin-Schönefeld – nach Jordanien gereist. „Das kann der Stasi nicht entgangen sein“, sagte Ströbele. Die RAF-Leute hatten sich in Jordanien von Palästinensern für den bewaffneten Kampf ausbilden lassen.

Die „Bild“-Zeitung hatte die Stasi-Akte kürzlich publik gemacht. Am Mittwoch berichtete das Blatt, nach Auskunft eines Ex-Referatsleiters des Bundesamtes für Verfassungsschutz habe Becker für die Anfang der 80er Jahre geführten Gespräche in einer konspirativen Wohnung in Köln mehr als 100 000 Mark erhalten. Nach Informationen des Tagesspiegels ist die genannte Summe viel zu hoch.

 Frank Jansen

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