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Michael Glos: Offene Rechnungen

Michael Glos hat seinem Ärger Luft gemacht und dafür Beifall der Fraktion geerntet. Kritik müssen sich CSU-Chef Seehofer und CDU-Chefin Merkel anhören.

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Berlin – Mit Horst Seehofer hat Michael Glos am Wochenende auf seine Weise abgerechnet, am Montagabend ist die Kanzlerin dran. In der CSU-Landesgruppe hat der scheidende Wirtschaftsminister seinem Groll auf Angela Merkel den Lauf gelassen. Bewusst missachtet, regelrecht an den Rand geschoben habe er sich gefühlt. „Sie hat immer gedacht, ich habe von vielen Dingen keine Ahnung. Stattdessen hängt sie an den Lippen von Finanzminister Steinbrück, der sich jeden Satz aufschreiben lassen muss“, zitiert der „Münchner Merkur“ einen Teilnehmer, der offenbar mitgeschrieben hat. Andere bestätigen: Ja, so war das – wie üblich launig verpackt, aber unmissverständlich. Auch, dass Merkel ihn in CDU-Kreisen als tumben Toren hingestellt habe, hat Glos beklagt, unfähig, einen Vermerk zu lesen.

Tags darauf hat ihm Merkel vor der ganzen Fraktion für seine Arbeit gedankt unter besonderer Erwähnung der Energiepolitik und des Einsatzes für den Mittelstand. Glos hat nichts gesagt. Auch sonst hat sich keiner zu den Vorgängen geäußert. Aber der Beifall für Glos war so lang und stark, dass er unschwer als Kundgebung zu deuten war. An seinem Abgang gibt es auch unter der Hand in der Union weder Kritik in der Sache noch an der Form. Am Umgang der Führenden mit Glos gibt es sie sehr wohl.

Glos ist aber nicht der einzige, der noch eine Rechnung offen hat. Auch in München melden sich einige zu Wort. „Glos hätte mehr Unterstützung von allen Beteiligten verdient“, sagt der einstige Ministerpräsident Günther Beckstein der „Süddeutschen Zeitung“. Alle Beteiligte, das ist Merkel, aber das ist auch CSU-Chef Horst Seehofer. Der frühere Staatskanzleichef Eberhard Sinner wird deutlich. „Horst Seehofer hat die Angewohnheit, seine Leute klein zu machen“, sagt Sinner. „Er ist nicht optimal in der Menschenführung.“ Innenminister Joachim Hermann mahnt „Geschlossenheit und Soldarität“ an – „auch die CSU-Spitze“ müsse diese Tugenden zeigen. Gabriele Pauli hat auch aufgezeigt, einst CSU-Landrätin, jetzt Abgeordnete der Freien Wähler: „Das alte System der Angst“ herrsche in der Seehofer-CSU, „einsame Entscheidungen“ wie gehabt.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil würde auch gern mit der Kanzlerin abrechnen. In „Acht Orientierungspunkten für das Superwahljahr 2009“ plädiert er für eine personalisierte Auseinandersetzung zwischen Kanzlerkandidat Frank- Walter Steinmeier und Amtsinhaberin Merkel. Ein solcher Wahlkampf biete große Chancen, die wachsende Zahl ungebundener Wähler für die SPD zu gewinnen, zitiert die „Passauer Neue Presse“ aus der Denkschrift. Trotz Amtsbonus biete die Kanzlerin zahlreiche Angriffspunkte, schreibt Heil: Merkel taktiere und laviere, wo Überzeugung gefragt sei; sie handle zu oft als CDU-Vorsitzende statt als Kanzlerin; ihr fehle es an einem „Gesellschaftsentwurf, um Deutschland in eine sichere Zukunft zu führen“.

Alles Dinge, die auch SPD-Chef Franz Müntefering oder Fraktionschef Peter Struck der Kanzlerin öfter vorhalten. Und doch hat für die SPD-Führung ein Anti-Merkel-Wahlkampf keine Priorität. Wahlkampfmanager Kajo Wasserhövel weiß um die Gefahr, dass Negativ-Kampagnen auf den Urheber zurückfallen, zumal wenn die Attacke der beliebtesten Politikerin des Landes gilt. In Partei- und Fraktionskreisen dominiert die Einschätzung, die SPD werde vorrangig für ihre Positionen und den Kandidaten werben. Heils Einfluss auf die Wahlkampfführung der SPD ist ohnehin begrenzt. Anders als Wasserhövel genießt er nicht Münteferings uneingeschränktes Vertrauen.

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