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Politik: Michèle Alliot-Marie ist die erste Parteichefin Frankreichs

Wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben. Nicht so bei den französischen Neogaullisten.

Wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben. Nicht so bei den französischen Neogaullisten. Die konservative RPR brauchte nach dem Fall der Mauer glatte zehn Jahre, um sich zur innerparteilichen Demokratie durchzuringen. Aus den ersten freien RPR-Wahlen am Wochenende ging nun eine Spätzünderin als Sieger hervor: Michèle Alliot-Marie hatte als letzte von sechs leidlich prominenten Gaullisten ihre Kandidatur auf den RPR-Vorsitz angemeldet. Lange Zeit galt die 53-jährige Bürgermeisterin des baskischen Städtchens Saint-Jean-de-Luz als krasse Außenseiterin. Jetzt wird sie die erste RPR-Vorsitzede.

Dass sich "MAM", wie sie ihre Freunde nennen, schließlich mit 62,7 Prozent der Stimmen gegen den Favoriten Jean-Paul Delevoye durchsetzte, hat doppelten Symbolwert. Denn Delevoye war der Wunschkandidat von Staatspräsident Jacques Chirac. Alliot-Maries Sieg markiert also den Triumph der gaullistischen "Basis" gegen den bisher übermächtigen Parteigründer. Zugleich ist "MAM" die erste Frau, die die Führung einer großen französischen Partei übernimmt. Dass ihr dies ausgerechnet in der "Macho-Bewegung" RPR gelang, darf sie als persönlichen Triumph empfinden.

Bisher war Alliot-Marie nämlich lediglich für "die schönsten Beine der Regierung" bekannt. Diesen sexistischen Beinamen verdankt sie ihrer Zeit als Jugend- und Sportministerin in der ehemaligen Regierung Balladur (1993 bis 1995). Während des Präsi-dentschafts-Wahlkampfs 1995 erwarb die praktizierende Katholikin zudem den Spitznamen "Passerelle", weil sie zwischen den beiden gaullistischen Kandidaten Balladur und Chirac vermittelte. Aus dieser Zeit leitet Alliot-Marie heute den Anspruch ab, die zersplitterte RPR zu einen und die persönlichen Rivalitäten zu überwinden.

Leicht dürfte ihr dies nicht fallen. Zwar bringt Alliot-Marie die nötigen Eigenschaften mit. Die promovierte Juristin gilt als ehrgeizig, kämpferisch, bisweilen sogar aggressiv. Ihr Vorbild ist Alexander der Große. Innerparteiliche Gegner beschreiben sie als rücksichtslos und kalt. "Ich bin nicht nachtragend, aber ich habe ein gutes Gedächtnis", warnte Alliot-Marie all jene, die versuchen sollten, sich ihr in den Weg zu stellen. Die neue RPR-Chefin scheint sogar entschlossen, sich mit den Chirac-Beratern anzulegen, die für ihren Rivalen Delevoye geworben hatten. Doch bisher hat es noch kein RPR-Chef geschafft, sich wirklich von Chirac zu emanzipieren und den Gaullisten ein modernes, eigenständiges Profil zu geben.

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