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Politik: Migration: Die Einwanderer stehen schon Schlange

Als Mustafa Sarp vor ein paar Tagen im Fernsehen hörte, dass Deutschland mehrere Zehntausend neue Arbeitskräfte aus dem Ausland sucht, spitzte er die Ohren. "Ich würde sofort gehen", sagt der 21-jährige Istanbuler.

Als Mustafa Sarp vor ein paar Tagen im Fernsehen hörte, dass Deutschland mehrere Zehntausend neue Arbeitskräfte aus dem Ausland sucht, spitzte er die Ohren. "Ich würde sofort gehen", sagt der 21-jährige Istanbuler. Jetzt steht der schmächtige junge Mann in der langen Schlange vor der Visums-Stelle des deutschen Generalkonsulats in Istanbul und hofft auf die Erlaubnis für eine Reise nach Deutschland. Dort möchte er einen Freund besuchen und herausfinden, was er tun muss, um als Einwanderer in der Bundesrepublik akzeptiert zu werden. Die Beamten in der Visums-Stelle werden ihm zwar sagen, dass es in Deutschland bisher nur den Bericht der Süssmuth-Kommission, aber noch keine neue Einwanderungspolitik, geschweige denn fertige Formulare für Einwanderungs-Kandidaten gibt. Doch Sarp und andere lassen sich davon nicht entmutigen: Die Nachricht, dass Deutschland seine Tore wieder für ausländische Arbeitnehmer öffnet, hat die von einer Wirtschaftskrise gebeutelten Türken elektrisiert.

Wegen des Besucheransturms sah sich die deutsche Botschaft in Ankara bereits zu der Klarstellung gezwungen, dass Bewerbungen um Aufnahme in der Bundesrepublik zurzeit zwecklos sind. Die Telefonanlage der Botschaft ist häufig schon in den Morgenstunden blockiert. Im Generalkonsulat in Istanbul, dessen Visums-Stelle weltweit die drittgrößte des Auswärtigen Amtes ist, sieht es ähnlich aus. Anrufer werden zu einer Bandaufnahme durchgestellt, in der die Interessenten über den Stand der Dinge unterrichtet werden.

Bei jenen, die tatsächlich die Gelegenheit erhalten, in Deutschland zu leben, ist die Freude aber nicht ungetrübt. Der Diplom-Ingenieur Fatih Ustel etwa, der in wenigen Monaten als Stipendiat nach Deutschland gehen wird, sorgt sich um die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland. "Ich habe Angst", sagt er, während er in der Schlange vor dem Konsulat langsam vorrückt. Für Ustel richtet sich die Hauptfrage, die sich aus dem Süssmuth-Bericht ergibt, an die Deutschen selbst: "Sind die Deutschen bereit, Ausländer bei sich aufzunehmen?"

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