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Flüchtlingshilfe im kroatischen Tovarnik im September 2015.

© DPA

Migration in Europa: Kroatiens Rechte bedrohen Flüchtlingshelfer

Verwüstete Büros, Schmähungen und Beleidigungen: Freiwillige und Mitarbeiter von NGOs, die Migranten in Kroatien unterstützen, geraten zunehmend unter Druck.

Es war ein Schlag für die Nichtregierungsorganisation „Zentrum für Friedensstudien“ (CMS), als das kroatische Innenministerium den Kooperationsvertrag für die Asylbewerberunterstützung kürzlich nicht verlängerte. Die Organisation hatte im vergangenen Jahr ihren 20. Geburtstag gefeiert und unterstützt seit 15 Jahren Flüchtlinge und Asylbewerber.

Die Entscheidung des Ministeriums verbietet es dem CMS nun effektiv, in kroatischen Asylzentren tätig zu sein. So werden die Freiwilligen, die seit Jahren die kroatische Sprache lehren sowie Integrations- und Rechtsberatung anbieten, an der Fortsetzung ihrer Arbeit gehindert.

Für die Nichtregierungsorganisation „Are You Syrious“ (AYS), die seit 2015 mit Flüchtlingen in Kroatien und der weiteren Balkanregion arbeitet, ist der Widerstand gegen ihre Tätigkeiten noch deutlicher geworden: Die Büros der NGO sind dieses Jahr bereits mehrfach verwüstet worden. Die Mitarbeiter erhalten inzwischen fast täglich Drohungen und Beleidigungen, teilt die Organisation mit.

Im Sommer 2015 lag Kroatien auf der viel frequentierten Balkanroute. Für die meisten Flüchtlinge und Migranten war das Land an der Adria eine Durchgangsstation auf dem Weg nach Deutschland und in andere westeuropäische Länder. Hunderttausende Menschen durchquerten Kroatien.

Die vom CMS ins Leben gerufene Initiative Dobrodošli warnte bereits damals, Familien würden oftmals getrennt, und es gebe nur unzureichende Hilfe für Flüchtlinge. Die Freiwilligen der Organisation waren zwischen Mitte September 2015 und April 2016 täglich vor Ort aktiv, bis das Asylbewerberheim in Slavonski Brod geschlossen wurde.

„Die lokale Bevölkerung in Slawonien hat sich aktiv an der Unterstützung der geflüchteten Menschen beteiligt. Sie gaben ihnen wirklich alles, was sie hatten – einschließlich gekochtem Essen, einem Ort zum Duschen… praktisch alles, was sie konnten“, erinnert sich Sara Kekuš vom CMS.

Zwar habe man auch hier die Geflüchteten vor dem „gelegentlichen Einsatz von Gewalt“ durch Polizeikräfte an Grenzübergängen und in Asylbewerberzentren warnen müssen, doch insgesamt habe sich auch die Ordnungsmacht solidarisch und fair gezeigt.

Die Solidarität der Polizei hielt nicht lange an

„Wir erinnern uns zum Beispiel sehr gut an eine Spezialeinheit der Polizei von Zadar in Bapska. Wir bauten Zelte mit Essen, Trinken und Kleidung an dem Ort auf, an dem die Busse die Menschen abholen und nach Opatovac bringen sollten. Und die Polizei half uns: Beamte beobachteten die Menge und sagten uns: ’Da vorne ist ein Kind ohne Kleidung’ oder ’Dieser Mann braucht Schuhe in Größe 42!’“, erzählen auch ASY-Freiwillige. Ähnlich positiv sei die Zusammenarbeit in Kljuc Brdovecki, nahe der Westgrenze zu Slowenien, gewesen.

Diese Solidarität habe jedoch nicht lange angedauert, was vor allem auf das politische Klima in der EU zurückzuführen sei, so die NGOs. Gerade für die Westeuropäer gehe es inzwischen darum, „die EU oder zumindest den Schengenraum“ vor Flüchtlingen zu „schützen“.

Sara Kekuš erklärt: „Dies ist das Ergebnis einer umfassenderen politischen Erzählung über Flüchtlinge auf der europäischen politischen Bühne: Häufig wird die rechtsextreme Tendenz, Flüchtlinge als „illegale Migranten“ zu bezeichnen und sie als Bedrohung für ganz Europa darzustellen, übernommen. Aber das verzerrt das Bild davon, wer diese Menschen tatsächlich sind, völlig.“

Drohungen über soziale Medien und direkt

Heute sehen sich NGOs wie AYS ihrerseits ernsten Bedrohungen und direkter Gewalt ausgesetzt. Gerade über soziale Medien werde mit Aussagen wie „Wir kennen eure Namen. Ihr steht alle auf der Liste und werdet entsprechend bestraft“ gedroht. Oft werde man als „Terrorunterstützer“ und „Vergewaltigungshelfer“ geschmäht.

Das Integrationszentrum und Geschäft von AYS in Novi Zagreb wurde erst am vergangenen Wochenende erneut angegriffen. Unter anderem habe ein unbekannter Täter ein „Immigrants not Welcome“-Schild aufgestellt und „Fuck ISIS“ auf den Van der Organisation gesprüht. Es war nicht das erste Mal.

Übersetzung: Tim Steins. Erschienen bei EurActiv. Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

Iva Grubiša

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