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Friedrich nutzte markige Worte - obwohl er nur eine Minderheit meinte.

© dpa

Migrationsstudie: Reaktion des Innenministers stößt auf Befremden

Hans-Peter Friedrich preschte mit markigen Worten zu Teilergebnissen der Studie des Innenministeriums zu Migranten in Deutschland vor. Wissenschaftler rügen die einseitige Interpretation des CSU-Politikers.

Für seinen Umgang mit einer Studie über junge Muslime hat Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) massive Kritik kassiert – auch in der Koalition. Friedrich hatte eine Negativauslese der Ergebnisse durch die von ihm vorab informierte „Bild“-Zeitung mit markigen Worten gegen angebliche Feinde von Demokratie und Freiheit garniert, die Deutschland nicht dulden werde. Tatsächlich ist die Arbeit, die Friedrichs Ministerium in Auftrag gegeben hatte, in ihren Grundaussagen viel vorsichtiger und zeichnet ein positiveres Bild der Muslime: So erkennt sie sehr problematische Einstellungen nur bei einer Minderheit – zwei bis drei Prozent junger Muslime – und führt Tendenzen von Abkapselung stark auf deren Erfahrungen mit Diskriminierung zurück. Ein Kapitel ist messbaren Folgen der Sarrazin- Debatte 2010 gewidmet; die meisten praktischen Empfehlungen richten sich entsprechend an die nicht muslimische Umgebung.

Das erkennt auch das Team der Humboldt-Universität um die Islamwissenschaftlerin Naika Foroutan an, das die Studie unter die Lupe nahm. Sie sei „wesentlich positiver und optimistischer in ihren Kernaussagen, als die tendenziöse Zusammenfassung in einigen Medien vermuten ließ“, schreiben die Mitarbeiter des „Heymat“-Projekts zur Erforschung muslimisch-europäischer Identitäten. Allerdings kritisiert das HU-Team, das 2010 schon einen wissenschaftlichen Fakten-Check zur Sarrazin-Debatte vorlegte, die Methoden der Studie: Angesichts einer sehr begrenzten Zahl von Fällen – Stichproben in Gruppen von jeweils 200 bis 500 jungen Leuten – seien, wie auch die Verfasser selbst mehrmals betonen, die Aussagen nicht repräsentativ für junge Muslime in Deutschland. In der Gegenprobe mit Nichtmuslimen werde zum Beispiel „von 200 Befragten auf schätzungsweise 16 bis 17 Millionen deutsche Nichtmuslime zwischen 14 und 32 Jahren geschlossen“.

Weiter heißt es, die Studie akzeptiere zwar die inzwischen üblichen Gradmesser für Integration – Arbeit, Bildung, Spracherwerb –, widme sich dann aber doch dem emotionalen Teil und mache Integration zudem daran fest, wie weit sich ein junger Mensch von der Herkunftskultur seiner Familie entfernen wolle. „Das heißt also, wenn jemand z.B. zu fünf Punkten zustimmt, dass Menschen aus der Türkei in Deutschland die Kultur ihres Herkunftslandes bewahren sollen und zu null Punkten zustimmt, dass sie die deutsche Kultur übernehmen sollten, dann gilt er nach dieser Messung als stark distanziert gegenüber Integration und nach medialer Übersetzung als Integrationsverweigerer“, heißt es im Papier von Foroutans Team. Es werde die Messlatte immer höher gelegt. Zwar sei Zugehörigkeitsgefühl wichtig für Integration: „Allerdings ist dieses nicht einseitig messbar – es hängt immer von der Bereitschaft der Aufnahmegesellschaft ab, auch Zugehörigkeit zu signalisieren.“

Kritik kam am Freitag auch von anderen Wissenschaftlern. Die Chefin der Antidiskriminierungsbehörde des Bundes, Christine Lüders, warf Friedrich vor, sein Umgang mit der Studie leiste Diskriminierung Vorschub: „Ich finde es befremdlich, dass sich der Innenminister in seinen ersten Stellungnahmen nur auf die Einstellungen einer Minderheit der Befragten konzentriert hat“, sagte Lüders dem Tagesspiegel. „Es ist ein Rückschlag für jede Antidiskriminierungsarbeit, wenn man Migranten ausschließlich auf ihre Religion oder auf Gewaltbereitschaft reduziert.“ Der Kriminologe Christian Pfeiffer warnte vor „pauschaler Angstmache“ gegenüber Muslimen.

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