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Die Vizekandidaten Mike Pence (links) und Tim Kaine.

© REUTERS

TV-Duell mit Tim Kaine: Mike Pence zeigt Trump, wie's gehen kann

Tim Kaine beißt sich an Mike Pence die Zähne aus. Clintons Kandidat für die Vizepräsidentschaft hat die besseren Argumente, aber Trumps "Running Mate" ist souveräner. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Diese 90 Minuten könnten Folgen haben. Die Debatte der Vizepräsidentschaftskandidaten hat zwar nach aller Erfahrung keinen entscheidenden Einfluss auf den Wahlausgang. Auch das TV-Duell zwischen dem Demokraten Tim Kaine und dem Republikaner Mike Pence in der Nacht zu Mittwoch hat gewiss keine bedeutende Zahl von US-Bürgern dazu gebracht, ihre politische Präferenz zu ändern.

Aber die beiden zeigten ein ganz anderes Debattenverhalten als Hillary Clinton und Donald Trump vor einer guten Woche. Und dieses neue Kräftemessen verlief deutlich günstiger für das republikanische Ticket. Für die zweite Präsidentschaftsdebatte am Sonntag könnte Trump sich von Pence abschauen, was er besser machen kann - sofern er lernfähig ist. Und Clinton von Kaine, welche Fehler sie besser vermeidet - was sie vermutlich aber ohnehin weiß.

Wer allein die inhaltlich Aussagen analysiert, mag zwar zu dem Urteil kommen, Kaine habe die besseren Argumente gehabt. Aber Pence gewann klar nach Stil- und Haltungsnoten. Da war zu spüren: Der Republikaner hat mehr Erfahrung im Umgang mit Medien und insbesondere mit politischen Talkshows. Vor seinem Einstieg in die Politik hat er selbst ein solches Format moderiert.

Pence sprach ruhiger und verständlicher, er hörte seinem Kontrahenten gelassen zu. Was er sagte, war nicht immer überzeugend. Dennoch vermittelte er einen selbstsicheren Eindruck. Kaine versuchte von Beginn an, ihn zu unterbrechen, ihn aus dem Konzept zu bringen und möglichst viele Angriffe auf Trump zu landen. Er war inhaltlich gut vorbereitet und hoch motiviert. Aber zu viel des Guten kann schaden. Der Demokrat wirkte streckenweise wie ein Wadenbeißer. Er sprach sehr schnell. Da kann man durchaus zweifeln, ob Zuschauer, die mit den Themen nicht im Detail vertraut sind, immer verstehen konnten, was er gerade sagte.

Die Neugier der Bürger gilt der potenziellen Nummer Eins, nicht dem Stellvertreter. So drehte sich auch diese Debatte kaum um die Lebensläufe, Qualifikationen und Charaktere der beiden Männer auf der Bühne. Sondern um ihre gar nicht anwesenden "Bosse". Was Pence und Kaine, die ja beide Erfahrung als Gouverneure und Kongressmitglieder haben, selbst erreicht oder verbockt haben, kam zwar vor, aber zu kurz. Dabei stehen ihre Überzeugungen und Bilanzen für die prinzipiellen Kontroversen zwischen Republikanern und Demokraten. Und aus einem Vize kann, wenn die Nummer Eins ausfällt, binnen eines Herzschlags der nächste Präsident werden.

Steuern und Budget gegen Abtreibung und Todesstrafe

Als Gouverneur von Indiana, sagte Pence, habe er die Steuern, das Budgetdefizit und die Arbeitslosenrate gesenkt. Unter Kaine als Gouverneur von Virginia sei das Gegenteil geschehen: höhere Steuern, höhere Schulden, höhere Arbeitslosigkeit.

Kaine wiederum nahm für sich in Anspruch, Mitgefühl und Toleranz zu zeigen und die Lager über die ideologischen Gräben hinweg zu begrenzter Kooperation bewegen zu können. Nach der Schießerei an der Virginia-Tech-Hochschule unternahm er erst gar nicht den aussichtslosen Versuch, das Waffenrecht zu verschärfen, erreichte aber eine bessere Betreuung psychisch Kranker.

Beide sind gläubige Christen. Pence leitet daraus ab, dass er auch als Politiker entsprechend handeln und zum Beispiel ein absolutes Abtreibungsverbot durchsetzen müsse. Kaine sagt, man müsse die - möglicherweise abweichenden - Überzeugungen der Bürger respektieren und Frauen die Gewissensentscheidung überlassen. Er selbst habe sich als Gouverneur von Virginia in einem Konflikt zwischen eigenen Überzeugungen und dem geltenden Recht befunden. Als Katholik sei er Gegner der Todesstrafe, habe als Gouverneur aber Hinrichtungen zulassen müssen, da er den Amtseid geschworen habe, sich nach Virginias Gesetzen zu richten.

Das überwiegende Muster der 90 Minuten jedoch entwickelte sich aus Kaines Bemühen, jede Sachdebatte in einen Charakterangriff auf Donald Trump zu verwandeln - und Pences Weigerung, darauf einzugehen. Steuern? Trump wolle seine Steuererklärungen nicht offen legen und habe vermutlich seit 18 Jahren gar keine Steuern bezahlt. Russland? Trump habe Bewunderung für Wladimir Putin gezeigt und habe Geschäftsinteressen in Russland. Umgang mit Amerikas Militär und dem Kampf gegen den IS? Wer keine Steuern zahle, lasse die US-Soldaten im Stich.

Pence lässt Kaines Angriffe abperlen

Erstaunlich war, wie Pence sich dieser Debatte entzog. "Das hat er so nicht gesagt", erwiderte er, wenn Kaine Trump-Zitate über Mexikaner, Frauen oder Muslime anführte. Oder: "Kommst du schon wieder damit?" Auf eine echte Debatte über Trumps Steuern, sein Bild von Russland, den Umgang mit Muslimen oder illegalen Latino-Einwanderern ließ Pence sich nicht ein. Bis Kaine schließlich seufzte: Du verteidigst Trump ja nicht mal! Warum sollen Amerikaner für einen Kandidaten stimmen, der nicht mal von seinem Vize verteidigt wird?

Pence wies diese Interpretation natürlich weit von sich. Und kehrte stoisch zu seinen Themen zurück: Steuern runter, Militär stärken, Grenze zu Mexiko sichern. So mancher Anhänger der Republikaner dürfte sich da gedacht haben: Warum ist so einer nicht unser Spitzenkandidat?

Die Strategen der Demokraten spürten wohl, dass Pence das Duell in den Augen vieler Zuschauer gewonnen hatte. Und streuten denn auch diesen Verdacht: Pence gebe das Rennen an Trumps Seite 2016 bereits verloren und arbeite daran, 2020 selbst als Präsidentschaftskandidat anzutreten.

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