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In der Kritik: Ex-Präsident Jacques Chirac (Archivbild) steht derzeit bereits wegen der Schaffung fiktiver Jobs für Bekannte vor Gericht. Foto: Reuters

© REUTERS

Politik: Milde Gaben im Aktenkoffer

Anwalt: Französischer Ex-Präsident Chirac erhielt 20 Millionen Dollar von afrikanischen Präsidenten

Nur noch acht Monate sind es bis zur nächsten Präsidentenwahl in Frankreich. Für den Wahlkampf ist es noch zu früh, nicht aber für das Waschen schmutziger Wäsche. Am Wochenende machte ein gewisser Robert Bourgi den Anfang. Der französischen Öffentlichkeit war der 66-jährige Anwalt bisher unbekannt. Doch was der inoffizielle Afrika-Berater von Präsident Nicolas Sarkozy in der Sonntagszeitung „Le Journal du Dimanche“ enthüllte, bescherte Frankreich eine neue Affäre, die das Zeug hat, die politische Atmosphäre in der nächsten Zeit zu vergiften.

Nach Angaben Bourgis nahmen der ehemalige Präsident Jacques Chirac und sein engster Vertrauter, der frühere Außenminister und spätere Regierungschef Dominique de Villepin, jahrelang Geld von afrikanischen Staatschefs entgegen. Er selbst, Bourgi, habe die Koffer mit den Millionen transportiert und zunächst Chirac, der damals Bürgermeister von Paris war, im Rathaus übergeben, später dann im Elysée-Palast in Gegenwart von de Villepin. „Das waren nie weniger als fünf Millionen Francs und konnte bis zu 15 Millionen Francs gehen“, berichtet er. Manchmal hätten Chirac und de Villepin die Geldscheine in seiner Gegenwart gezählt. Auf umgerechnet 20 Millionen US-Dollar schätzt Bourgi die Beträge, die afrikanische Machthaber wie Abdoulaye Wade (Senegal), Blaise Compaoré (Burkina Faso), Laurent Gbagbo (Elfenbeinküste), Denis Sassaou Nguesso (Congo-Brazzaville) oder Omar Bongo (Gabun) Chirac für politische Zwecke zukommen ließen. Allein für Chiracs Wahlkampf und seine Wiederwahl 2002 hätten fünf afrikanische Machthaber zehn Millionen Dollar lockergemacht, die er selbst überbracht habe, sagte Bourgi der Zeitung. Auch Geschenke wie eine Uhr mit rund 200 Diamanten, die der gabunische Präsident Omar Bongo für Chirac geschickt habe, habe er dem Staatschef selbst übergeben.

Das habe erst aufgehört, als de Villepin dem Überbringer 2005 erklärte, das Geld aus Afrika rieche „nach Schwefel“. Bourgi wandte sich darauf von Chirac ab und Sarkozy zu. Der habe ihm sein Erstaunen über das viele Geld ausgedrückt, nahm ihn aber in seine Dienste auf. Fortan pflegte Bourgi im Auftrag Sarkozys die Kontakte zu Afrika, was sich für diesen auch auszahlte, wenn man dem glaubt, was der Enthüllungsautor Pierre Péan in seinem neuen Buch „Die Republik der Geldkoffer“ berichtet. In Erwartung eines Wahlduells zwischen Sarkozy und de Villepin habe Bourgi 2006 zwei Geldkoffer, für jeden der beiden Rivalen einen, aus Afrika angeschleppt. Als de Villepin aus dem Rennen ausschied, habe Bourgi beide Koffer an Sarkozy übergeben. Nach seiner Wahl 2007 ernannte Sarkozy den „lieben Robert“ zum Ritter der Ehrenlegion. 2008 gab er auf dessen Drängen der Forderung des Gabuners Bongo nach und entließ Jean-Marie Bockel, den Staatssekretär für Entwicklungshilfe, der mit Kritik an den Mauscheleien Frankreichs mit afrikanischen Potentaten deren Unwillen erregt hatte.

Beweise für seine Behauptungen, die er am Montag in einem Rundfunkinterview noch ausweitete, legt Bourgi nicht vor. „In diesem Bereich“ würden keine Spuren hinterlassen, sagt er. Doch die Behauptungen erscheinen nicht unglaubhaft angesichts der Tatsache, dass alle französischen Präsidenten Geld aus Afrika zugesteckt bekamen, wie der Afrika-Kenner Péan schon 1981 in seinem Buch „Affaires Africaines“ berichtete. Kofferträger war lange Zeit Jacques Foccart, der schon de Gaulle als „Monsieur Afrique“ diente. Nach dessen Tod 1997 folgte ihm Bourgi als graue Eminenz nach.

Warum Bourgi ausgerechnet jetzt die Diskretion abwirft, die ihm seine Rolle als inoffizieller Afrika-Berater auferlegt, beschäftigt jetzt das politische Paris. Er habe sein Schweigen aus freien Stücken gebrochen, sagt Bourgi. Doch manche Kommentatoren meinen, er habe de Villepin schaden wollen, dem noch immer eine Ambition zur Präsidentenwahl nachgesagt wird. Dieser kündigte eine Klage gegen Bourgi an. Auch Chirac will klagen, was insofern nicht ohne Ironie ist, als der Alt-Präsident, gegen den derzeit wegen der Affäre um fiktive Jobs zu seiner Zeit als Bürgermeister von Paris verhandelt wird, vom Erscheinen vor Gericht entbunden ist, weil er laut einem ärztlichen Gutachten unter Gedächtnislücken leidet.

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