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Politik: Militär erschießt deutschen Urlauber

In Indonesiens Unruheprovinz Aceh gereist / Begleiterin verletzt / Beide waren mit dem Fahrrad unterwegs

Jakarta. Ein deutscher Urlauber ist in Indonesien mit einem Fahrrad durch ein Kriegsgebiet gefahren und dort von Soldaten erschossen worden. Seine Begleiterin überlebte mit Schussverletzungen am Bein. Das Paar aus Nordrhein-Westfalen soll seit 2001 mit Fahrrädern um die Welt gefahren und seit Mitte April in Indonesien unterwegs gewesen sein. „Meine Warnung vor dem Krieg in Aceh beeindruckte sie überhaupt nicht“, sagt ein australischer Journalist, der die beiden nach eigenen Angaben vor gut zwei Wochen in der Krisenregion getroffen hatte. In Aceh sind derzeit mehr als 40 000 Soldaten und Polizisten in einer Großoffensive gegen Rebellen im Einsatz. Die indonesische Regierung hatte am 19. Mai das Kriegsrecht über die Region verhängt, nachdem ein im Dezember geschlossener Waffenstillstand gescheitert war.

Nach Angaben des indonesischen Militärs hatte ein Bewohner des Dorfes Lhok Gayo am Mittwochabend gegen 21 Uhr Soldaten darüber informiert, dass hinter seinem Haus jemand mit Taschenlampen hantiere. „Wir schickten neun Soldaten, sie riefen zweimal: Wer ist da?“, sagte Militärsprecher Oberst Ahmad Yani Basuki dem Tagesspiegel. „Nachdem keine Antwort kam, gaben sie drei Warnschüsse in die Luft ab. Daraufhin gingen die Taschenlampen aus. Weil keine weitere Reaktion auf die Warnschüsse folgte, schossen die Soldaten dann gezielt.“ Eine unabhängige Bestätigung der Militärschilderung gibt es nicht. Ein Augenzeuge berichtete, dass die beiden Deutschen in dem Dorf gezeltet hätten.

Indonesiens Sicherheitsminister Susilo Bambang Yudhoyono versprach eine Untersuchung des Vorfalls. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin bestätigte den Tod des Deutschen, die deutsche Botschaft in Jakarta hat zwei Mitarbeiter nach Aceh geschickt, die weitere Informationen sammeln sollen. Der indonesische TV-Sender SCTV zeigte am Donnerstag Bilder der überlebenden Deutschen, die mit einem Verband am Bein auf einer Bahre lag. Nach dem Fernsehbericht ist die Verletzte mittlerweile in einem Krankenhaus der Provinzhauptstadt Banda Aceh und soll am Freitag nach Jakarta geflogen werden.

Einen Tag vor Beginn des neuen Aceh-Krieges hatte der australische Journalist Matthew Moore in Aceh auf einem Feldweg ein deutsches Paar getroffen, dass auf Fahrrädern mit großen Seitentaschen unterwegs war. Die beiden hätten ausgesehen, als seien sie schon monatelang in der Wildnis unterwegs. „Sie sprachen kaum Englisch und gar kein Indonesisch“, sagt Moore, „sie haben mir aber zu verstehen gegeben, dass sie Touristen seien. Ich sagte ihnen, dass morgen hier ein Krieg beginne, aber sie entgegneten nur, dass doch alles friedlich sei.“

Die beiden deutschen Touristen sind die ersten ausländischen Opfer der neuen Offensive. Indonesische Soldaten durchkämmen derzeit mehrere Dörfer auf der Suche nach Rebellen. Beobachter werfen beiden Seiten Menschenrechtsverletzungen vor, den Soldaten wird unter anderem das regelmäßige Erschießen von Zivilisten vorgehalten. Das Auswärtige Amt in Berlin hatte weder vor noch nach der Ausrufung des Kriegsrechtes ausdrücklich vor Reisen nach Aceh gewarnt. Seit Beginn des neuen Krieges steht im deutschen Sicherheitshinweis lediglich: „Das Waffenstillstandsabkommen für die Provinz Aceh ist gescheitert, es finden dort militärische Operationen statt.“ Moritz Kleine-Brockhoff

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